Druiden bei den Wikingern – Mythos oder Realität? (Mit Video)
- Michael Praher
- 5. Apr.
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 8. Apr.

Die Druiden sind eine der geheimnisvollsten und am meisten verehrten Figuren der keltischen Kultur. Sie waren Priester, Heiler, Richter und Wissensbewahrer in einer Zeit, in der mündliche Überlieferung und spirituelle Rituale das Fundament der Gesellschaft bildeten. Doch gab es Druiden auch bei den Wikingern? Während die nordische Mythologie von Sehern, Schamanen und Volvas spricht, ist die Rolle der Druiden in der skandinavischen Kultur umstritten.
Wer waren die Druiden?
Druiden waren die geistige Elite der keltischen Gesellschaft und spielten eine zentrale Rolle in Religion, Rechtsprechung und Heilkunst. Sie dienten als Vermittler zwischen den Menschen und den Göttern, bewahrten das Wissen der Vergangenheit und hatten erheblichen Einfluss auf das politische und spirituelle Leben der Kelten. Ihr Wissen wurde nicht in Schriftform festgehalten, sondern über Generationen hinweg mündlich weitergegeben, was ihre Lehren geheimnisvoll und schwer greifbar machte.
Druiden genossen einen besonderen Status in der Gesellschaft. Sie wurden oft als unantastbar angesehen und waren von Steuern sowie vom Kriegsdienst befreit. In Zeiten des Konflikts konnten sie als Vermittler auftreten, um Kriege zu verhindern oder Waffenstillstände auszuhandeln.
Die meisten schriftlichen Berichte über die Druiden stammen von römischen Autoren wie Julius Cäsar, der während seiner Eroberung Galliens (58–50 v. Chr.) ausführlich über sie schrieb. Laut Cäsar galten die Druiden als die mächtigsten spirituellen Anführer und waren so einflussreich, dass sie sogar über Leben und Tod entscheiden konnten. Römische Herrscher sahen sie als Bedrohung für ihre Macht und versuchten, sie systematisch auszurotten – insbesondere durch das Verbot ihrer Rituale und die Zerstörung ihrer heiligen Stätten, etwa auf der Insel Anglesey, einem bedeutenden Zentrum der druidischen Kultur.
Trotz der Bemühungen der Römer überlebte das druidische Wissen in Legenden, mündlichen Überlieferungen und später in den Mythen der keltischen Völker. In abgeschiedenen Regionen wie Irland und Wales hielt sich ihr Einfluss noch lange nach der römischen Herrschaft.
Die spirituellen Anführer der Wikinger
In der nordischen Kultur gab es keine Druiden im keltischen Sinne, doch es existierten vergleichbare spirituelle Anführer, die eine bedeutende Rolle im Glaubenssystem der Wikinger spielten. Diese Personen waren nicht nur Vermittler zwischen Menschen und Göttern, sondern auch Bewahrer von Wissen, Seher und Magier, die das Schicksal beeinflussen konnten.
Eine der mächtigsten spirituellen Figuren war die Völva, eine Seherin und Zauberin, die die Kunst des Seiðr beherrschte. Mit ihrer Magie konnte sie die Zukunft deuten, Menschen verfluchen oder das Schicksal lenken. Oft reiste sie von Ort zu Ort, wurde hoch geachtet, aber auch gefürchtet. Ihre Rituale waren von Gesang und Trance Zuständen geprägt, und sie trug häufig einen mit Runen verzierten Stab, der ihre Macht symbolisierte. Besonders angesehen war die Völva in Zeiten der Unsicherheit, denn ihre Prophezeiungen halfen Königen und Anführern, Entscheidungen zu treffen. Eine der bekanntesten Weissagungen stammt aus der Völuspá, in der eine Seherin Odin den Untergang der Götter verkündet.
Neben den Völven spielten die Goðar eine zentrale Rolle im religiösen und gesellschaftlichen Leben. Diese Priester waren zugleich Stammesführer und hielten Opferzeremonien, sogenannte Blóts, zu Ehren der Götter ab. Sie verwalteten Tempel und Kultstätten und fungierten als Vermittler zwischen den Menschen und den göttlichen Mächten. Besonders in Island hatten sie großen Einfluss, da sie nicht nur religiöse, sondern auch politische und rechtliche Aufgaben übernahmen. Im Gegensatz zu den keltischen Druiden waren sie keine eigenständige Kaste, sondern meist wohlhabende Bauern oder Stammesoberhäupter, die zusätzlich religiöse Pflichten übernahmen.
Eine weitere wichtige spirituelle Gruppe waren die Runenmeister, die tiefes Wissen über die magischen Zeichen der Runen besaßen. Sie glaubten, dass diese Zeichen nicht nur zur Schrift, sondern auch für rituelle Zwecke genutzt werden konnten. Waffen wurden mit Runen verziert, um ihnen Schutz und Stärke zu verleihen, und durch Runenorakel versuchte man, die Zukunft vorherzusagen. In der Edda selbst wird beschrieben, wie Odin selbst neun Tage und Nächte verwundet am Weltenbaum Yggdrasil hing, um das Wissen der Runen zu erlangen.
Obwohl die spirituellen Anführer der Wikinger keine direkte Entsprechung zu den Druiden hatten, teilten beide Kulturen den Glauben an die enge Verbindung zwischen Mensch, Natur und Göttern. Während Druiden eine streng hierarchische und kastenartige Struktur innerhalb der keltischen Gesellschaft hatten, waren die nordischen Seher, Priester und Magier freier organisiert. Die Völva war eine wandernde Prophetin, die Goðar waren zugleich politische Anführer, und die Runenmeister wirkten oft allein oder in kleinen Gruppen. Doch in einem Punkt glichen sie sich: Sie alle glaubten, dass Wissen und Magie das Schicksal lenken konnte.
Kontakte zwischen Wikingern und Druiden?
Obwohl die skandinavische und keltische Welt geografisch benachbart waren, unterschieden sich ihre Religionen und spirituellen Traditionen. Dennoch führten Handel, Kriegszüge und Migration zu zahlreichen Berührungspunkten zwischen den beiden Kulturen. Wikinger siedelten an den Küsten Irlands und Schottlands, gründeten Städte wie Dublin und beeinflussten die einheimische Bevölkerung, während sie zugleich Elemente der keltischen Kultur aufnahmen.
Einige Historiker spekulieren, dass keltische Druiden ihr Wissen mit den Nordmännern teilten oder dass keltische Seher und Heiler in skandinavische Gemeinschaften integriert wurden. Besonders in Gebieten mit langanhaltender Wikingerpräsenz, wie auf den Hebriden oder der Isle of Man, könnten keltische spirituelle Traditionen in die nordische Kultur eingeflossen sein. So zeigen einige nordische Sagas Figuren mit Fähigkeiten, die denen der keltischen Druiden ähneln, etwa weise Magier, die Prophezeiungen aussprechen oder mit der Natur kommunizieren.
Archäologische Funde wie keltische Schmuckstücke, Waffen und religiöse Symbole in skandinavischen Gräbern deuten auf einen intensiven kulturellen Austausch hin. Besonders bemerkenswert ist, dass einige skandinavische Bestattungsriten Ähnlichkeiten zu keltischen Praktiken aufweisen, darunter die Beigabe von magischen Amuletten oder symbolischen Tierdarstellungen. Auch in der Kunst und Ornamentik lassen sich keltische Einflüsse erkennen, etwa in wikingerzeitlichen Knotenmuster-Designs, die starke Parallelen zur keltischen Kunst aufweisen.
Obwohl die Druiden als organisierte religiöse Kaste zur Zeit der Wikinger bereits durch römische und christliche Einflüsse weitgehend verschwunden waren, könnte ihr Erbe dennoch über mündliche Traditionen fortbestanden haben. Es ist möglich, dass Wikinger von den Erzählungen über die keltischen Weisen inspiriert wurden oder sich deren Wissen über Kräuterkunde, Wahrsagerei und Magie zunutze machten. Diese gegenseitige Beeinflussung zeigt, dass der Kontakt zwischen Wikingern und Kelten weit über Kampf und Handel hinausging – er könnte auch die spirituelle Welt der Nordmänner in subtiler Weise geprägt haben.
Keltische und nordische Magie – Gemeinsamkeiten und Unterschiede
Keltische und nordische Magie basierten auf dem Glauben, dass unsichtbare Kräfte die Welt lenkten und dass bestimmte Menschen die Fähigkeit besaßen, mit diesen Kräften zu kommunizieren oder sie zu beeinflussen. Sowohl bei den Kelten als auch bei den Wikingern spielten Wahrsagung und spirituelle Rituale eine zentrale Rolle. Druiden und Volvas wurden als Vermittler zwischen den Göttern und den Menschen angesehen, deren Worte das Schicksal eines Einzelnen oder gar ganzer Gemeinschaften bestimmen konnten. Die Natur hatte in beiden Kulturen eine heilige Bedeutung – Berge, Flüsse, Bäume und Steine waren oft Sitz von Geistern oder Göttern, und Rituale fanden bevorzugt an solchen Orten statt.
Auch Opfergaben gehörten zum religiösen Alltag. Während die Kelten heilige Haine aufsuchten, um den Göttern Tiere, Waffen oder sogar Menschen darzubringen, wurden in der nordischen Tradition Blóts abgehalten, bei denen Tiere geopfert wurden, um den Göttern Wohlwollen und Schutz abzuringen. Magische Symbole wie Runen oder Ogham-Schriften wurden genutzt, um Orakel zu deuten oder Schutzzauber zu wirken.
Trotz dieser Parallelen unterschieden sich die beiden Traditionen in ihrer Struktur und Organisation. Die keltischen Druiden bildeten eine eigene, hoch angesehene Kaste, die Wissen über Generationen weitergab und ihre Geheimnisse eifersüchtig hütete. Sie wurden lange ausgebildet und waren eng mit der politischen Führung der keltischen Stämme verbunden. Im Gegensatz dazu waren nordische Seher, wie die Volvas, oft Einzelpersonen, die als Wanderer oder Einsiedler lebten. Ihre Kräfte wurden weniger durch eine strenge Lehre weitergegeben als durch persönliche Begabung oder göttliche Inspiration.
Während die Druiden oft als Berater von Königen und Stammesführern agierten und sich intensiv mit philosophischen und rechtlichen Fragen beschäftigten, war die nordische Magie stärker mit Schicksalsglauben und individueller spiritueller Erfahrung verbunden. Die Seiðr-Magie, die von den Volvas praktiziert wurde, galt als mächtig, aber auch als gefährlich – sogar Odin selbst musste ihr Geheimnis erst von einer Volva erlernen. Auch der Umgang mit dem Jenseits war unterschiedlich: Während die Kelten an eine zyklische Wiedergeburt glaubten, war das nordische Nachleben stark von Ehre und Tod in der Schlacht geprägt.
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