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Die Große Heidnische Armee – Eine Geschichte von Eroberung und Einfluss (Mit Video)

  • Autorenbild: Michael Praher
    Michael Praher
  • 5. Apr.
  • 8 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 8. Apr.


Wikingerkrieger mit Schild und Kettenhemd steht an einer felsigen Küste vor einem Drachenboot – Text: ‚Die große heidnische Armee – Eine Geschichte von Eroberung und Einfluss‘. Historisches YouTube-Thumbnail über Wikingerinvasionen in England.

Die Geschichte der Großen Heidnischen Armee ist ein bedeutendes Kapitel in der Wikingerzeit. Diese Streitmacht, die zwischen 865 und 878 in England operierte, veränderte den Lauf der Geschichte und markierte den Übergang von schnellen Raubzügen zu gezielten Eroberungen und Besiedlungen.


 

Die Entstehung der Großen Heidnischen Armee

Die Große Heidnische Armee war weit mehr als nur eine Ansammlung von Plünderern. Sie repräsentierte die Entschlossenheit und Koordination der Wikinger, die über Generationen hinweg von einzelnen Raubzügen hin zu organisierten militärischen Kampagnen übergingen. Zusammengesetzt aus einer Koalition von Kriegern, die aus Dänemark, Norwegen und Schweden stammten, war die Armee eine beeindruckende Kraft ihrer Zeit. Diese Krieger waren nicht nur bewaffnet, sondern auch taktisch geschult, gut organisiert und durch ein gemeinsames Ziel vereint.


Historiker schätzen, dass mehrere Tausend Männer an der Großen Heidnischen Armee beteiligt waren. In einer Zeit, in der kleinere Scharmützel zwischen Dörfern oder Königreichen üblich waren, war dies eine beispiellose Größe. Die Armee war ausgestattet mit Langschiffen, die eine schnelle und effektive Mobilität gewährleisteten, sowie einer Vielzahl von Waffen, darunter Schwerter, Äxte, Speere und Schilde, die die technologischen Fähigkeiten der Wikinger unter Beweis stellten.


Der Überlieferung nach war die Große Heidnische Armee von einer tiefen persönlichen und spirituellen Motivation angetrieben: Rache. Die Söhne von Ragnar Lodbrok – Ivar der Knochenlose, Halfdan Ragnarsson und Ubbe – sollen diese Streitmacht angeführt haben, um den Tod ihres Vaters zu rächen. Ragnar war einer der bekanntesten und gefürchtetsten Wikinger seiner Zeit. Seine angebliche Hinrichtung durch König Aelle von Northumbria, der ihn in eine Schlangengrube werfen ließ, war für die Wikinger nicht nur ein persönlicher Angriff, sondern auch eine Beleidigung ihrer Kultur und ihres Stolzes.


Die Entstehung der Großen Heidnischen Armee war ein Wendepunkt in der Wikingerzeit. Sie markierte den Übergang von den typischen Blitzüberfällen der Nordmänner hin zu einer gezielten militärischen Expansion. Die Wikinger wollten nicht nur plündern, sondern auch Land erobern, Reiche stürzen und dauerhafte Machtstrukturen etablieren.


Die Armee war ein Beweis für die Fähigkeit der Wikinger, Allianzen zu schmieden und eine überregionale Zusammenarbeit zu ermöglichen. Krieger aus den unterschiedlichsten nordischen Regionen, oft aus konkurrierenden Stämmen, vereinten sich unter einem gemeinsamen Banner. Dies machte die Armee nicht nur zahlenmäßig stark, sondern verlieh ihr auch eine kulturelle Vielfalt, die sie noch gefährlicher und flexibler machte.


Während Rache ein zentraler Aspekt der Motivation war, trieb die Wikinger auch die Aussicht auf Ruhm und Reichtum an. Die angelsächsischen Königreiche waren bekannt für ihre wohlhabenden Klöster, schwachen Verteidigungslinien und politischen Spannungen – ideale Voraussetzungen für eine Armee, die auf Expansion und Plünderung ausgerichtet war.

Die Entstehung der Großen Heidnischen Armee war somit nicht nur ein Akt der Vergeltung, sondern auch der Beginn einer neuen Ära der Wikingerzeit, in der die Nordmänner ihre militärischen und politischen Ambitionen auf ein völlig neues Niveau hoben.


 

Die Ankunft in England (865)

Im Jahr 865 erreichte die Große Heidnische Armee die Küsten von East Anglia, einem der kleineren angelsächsischen Königreiche. Doch anstatt wie bei den vorherigen Raubzügen sofort zu plündern, überraschten die Wikinger mit einer neuen Taktik: Diplomatie durch Erpressung. Sie forderten „Danegeld“, ein Schutzgeld, von den lokalen Herrschern, um von einem Angriff abzusehen. Diese Strategie zeigte den strategischen Wandel der Wikinger von opportunistischen Räubern zu kalkulierenden Eroberern.


Der König von East Anglia, unvorbereitet auf eine so mächtige Streitmacht, entschied sich für Verhandlungen. Um Zeit zu gewinnen und die Zerstörung seines Landes zu vermeiden, bot er der Armee Vorräte und Pferde an. Die Wikinger akzeptierten das Angebot, was ihnen eine neue Möglichkeit der Mobilität verlieh, die ihre Eroberungszüge wesentlich beschleunigte. Für die Angelsachsen war dies jedoch nur eine kurze Atempause – der wahre Sturm sollte noch kommen.


 

Der Marsch auf York (866)

Mit ihrer neuen Mobilität und gestärkten Ressourcen wandten sich die Wikinger nach Norden, ins Herz von Northumbria. Zu dieser Zeit war das Königreich von inneren Konflikten geschwächt. König Aelle hatte kürzlich seinen Rivalen Osberht vom Thron verdrängt, und die politische Instabilität machte Northumbria zu einem leichten Ziel.


Im November 866 erreichte die Große Heidnische Armee die Mauern von York, einer der bedeutendsten Städte Englands. Die Wikinger, die für ihre Belagerungstaktiken bekannt waren, nutzten ihre militärische Überlegenheit geschickt aus. Die Stadt fiel überraschend schnell, da ihre Verteidiger schlecht organisiert und unvorbereitet waren. Der Erfolg des Überfalls markierte nicht nur einen militärischen Triumph, sondern auch den Beginn einer langfristigen Besetzung.


Nach der Eroberung von York etablierten die Wikinger die Stadt unter dem Namen „Jórvik“ als ihre Basis. Diese strategische Entscheidung war von großer Bedeutung: York lag im Herzen von England und bot den Wikingern eine perfekte Ausgangsposition für weitere Feldzüge.


Doch Jórvik war nicht nur ein militärischer Stützpunkt. Die Wikinger erkannten schnell das wirtschaftliche Potenzial der Stadt. Sie bauten Jórvik zu einem Zentrum für Handel und Verwaltung aus. Händler aus Skandinavien, Irland und dem restlichen Europa brachten ihre Waren hierher, was der Stadt einen wirtschaftlichen Aufschwung bescherte. Die Wikinger etablierten ein funktionierendes Verwaltungssystem, führten ihre eigene Münzprägung ein und integrierten Jórvik als zentralen Knotenpunkt in ihr wachsendes Herrschaftsgebiet. <-


 

Die Bedeutung für die Kampagne

Die Ankunft der Großen Heidnischen Armee in England und die Eroberung von York war ein Wendepunkt in der Geschichte der Wikinger. Es zeigte ihre Fähigkeit, strategisch zu planen, diplomatisch zu handeln und langfristige Ziele zu verfolgen. Während frühere Raubzüge oft rein destruktiver Natur waren, zeigten die Ereignisse von 865 und 866, dass die Wikinger nun darauf abzielten, Territorien zu erobern, Machtstrukturen aufzubauen und eine dauerhafte Präsenz in England zu etablieren.

Diese Kombination aus militärischer Stärke, politischem Geschick und wirtschaftlicher Weitsicht machte die Große Heidnische Armee zu einer der erfolgreichsten und gefürchtetsten Streitkräfte ihrer Zeit.


 

Die Strategie der Armee

Die Große Heidnische Armee war weit mehr als eine Ansammlung wilder Krieger – sie war eine gut organisierte Streitmacht, die ihre Ziele mit außergewöhnlicher Präzision und strategischer Weitsicht verfolgte. Ihre Fähigkeit, militärische Stärke mit taktischem Geschick zu kombinieren, machte sie zu einem nahezu unaufhaltsamen Gegner für die angelsächsischen Königreiche.


Einer der größten Vorteile der Wikingerarmee war ihre Mobilität. Die Langschiffe, das Rückgrat ihrer Flotte, ermöglichten es ihnen, sowohl Küstengebiete als auch Flüsse zu nutzen, um tief ins Landesinnere vorzudringen. Sie konnten ihre Angriffe schnell koordinieren und Truppen an verschiedenen Orten stationieren, oft schneller, als die angelsächsischen Verteidiger reagieren konnten.


Zudem war die Armee äußerst flexibel in ihrer Kriegsführung. Sie konnte sowohl als geschlossene Streitmacht operieren, um größere Städte oder Festungen einzunehmen, als auch in kleinere Einheiten zerfallen, um simultane Angriffe auf verschiedene Ziele durchzuführen. Diese Vielseitigkeit machte sie unberechenbar und erschwerte es den Angelsachsen, effektive Gegenmaßnahmen zu ergreifen.


Die Wikinger verstanden es, die politischen Spannungen in England für ihre eigenen Zwecke zu nutzen. Die angelsächsischen Königreiche waren oft miteinander zerstritten, was den Wikingern Gelegenheit bot, geschickte Allianzen zu schmieden. Sie schlossen Verträge mit lokalen Herrschern, boten Schutz im Austausch für Ressourcen oder nutzten innerpolitische Konflikte, um geschwächte Gebiete leichter zu erobern.


Ein Beispiel dafür ist die Erpressung von „Danegeld“, bei der sie Schutzgelder forderten, um von einem Angriff abzusehen. Diese Praxis war nicht nur profitabel, sondern erlaubte es der Armee auch, ihre Kräfte zu schonen und Ressourcen für zukünftige Feldzüge zu sammeln.


 

Psychologische Kriegsführung

Der Ruf der Wikinger war eine Waffe für sich. Geschichten von ihren brutalen Überfällen und gnadenlosen Massakern verbreiteten sich schnell und lösten Angst und Schrecken aus. Städte und Dörfer, die von der Ankunft der Wikinger erfuhren, ergaben sich oft, bevor ein einziger Kampf stattfand – in der Hoffnung, die Zerstörung ihrer Heimat abzuwenden.

Die Wikinger nutzten diesen Ruf gezielt aus. Durch die Inszenierung brutaler Angriffe, wie etwa in Lindisfarne oder York, verstärkten sie ihren Ruf als gnadenlose Krieger und erhöhten den psychologischen Druck auf ihre Gegner. Diese Einschüchterungstaktik ermöglichte es ihnen, strategische Vorteile zu erlangen, ohne ihre Streitkräfte übermäßig zu belasten.


 

Langfristige Planung

Die Große Heidnische Armee handelte nicht impulsiv. Sie verfolgte eine durchdachte Strategie, die auf langfristige Ziele abzielte. Anstatt nur Beute zu machen, strebten die Wikinger nach dauerhafter Kontrolle über Territorien. Sie wählten gezielt strategisch wichtige Städte wie York und Repton, um dort ihre Machtzentren zu errichten.

Diese Städte wurden nicht nur als militärische Stützpunkte genutzt, sondern auch als wirtschaftliche Knotenpunkte, die Handel und Verwaltung ermöglichten. Die Wikinger schufen so eine Basis für ihre Herrschaft, die es ihnen erlaubte, ihre Kontrolle über die eroberten Gebiete zu festigen und auszubauen.


Die Stärke der Großen Heidnischen Armee lag in ihrer Fähigkeit, brutale Gewalt mit taktischer Raffinesse zu verbinden. Sie zerstörten nicht nur, sie bauten auch auf, was sie eroberten. Dieses Zusammenspiel aus militärischer Effizienz, politischer Klugheit und psychologischer Kriegsführung machte die Wikinger zu einem der größten militärischen Bedrohungen ihrer Zeit – und prägte die Geschichte Englands nachhaltig.


 

Die Zerschlagung der angelsächsischen Königreiche

Die Große Heidnische Armee hinterließ eine Spur der Zerstörung und Umwälzung, als sie von Königreich zu Königreich zog. Mit strategischer Präzision und unbarmherlicher Entschlossenheit zerstörten sie die politische Ordnung Englands und zwangen die angelsächsischen Herrscher, sich entweder zu ergeben oder mit dem Tod zu rechnen.


 

Northumbria (866)

Der Beginn der Eroberungen markierte den Fall von York, der Hauptstadt Northumbrias, im Jahr 866. Die Einnahme der Stadt war ein strategischer Meilenstein, da York sowohl politisch als auch wirtschaftlich von zentraler Bedeutung war. Der Tod von König Aelle, der Ragnar Lodbrok einst in eine Schlangengrube geworfen haben soll, symbolisierte das Ende der angelsächsischen Kontrolle in dieser Region.Nach der Eroberung zerbrach die politische Einheit Northumbrias. Die Wikinger nutzten die Gelegenheit, ihre eigene Herrschaft – unter dem Namen Jórvik – zu etablieren, was die Region in den folgenden Jahren zu einem Zentrum ihrer Macht machte.


 

East Anglia (869)

Nach der Festigung ihrer Kontrolle im Norden wandte sich die Große Heidnische Armee nach Osten, wo sie das Königreich East Anglia ins Visier nahm. König Edmund von East Anglia versuchte, Widerstand zu leisten, doch die Wikinger waren militärisch überlegen. Edmund wurde gefangen genommen, grausam hingerichtet und später als Märtyrer und Heiliger verehrt.Die Eroberung von East Anglia war ein weiterer entscheidender Schritt, da die Region den Wikingern nicht nur Kontrolle über ein weiteres angelsächsisches Königreich verschaffte, sondern auch wertvolle Ressourcen und strategische Vorteile bot.


 

Mercia

Mercia, einst eines der mächtigsten angelsächsischen Königreiche, konnte dem Ansturm der Wikinger nicht standhalten. Die Große Heidnische Armee belagerte wichtige Städte wie Nottingham und zwang die Mercianer, Tribute zu zahlen. Obwohl Mercia nicht vollständig erobert wurde, war es de facto von den Wikingern abhängig und in seiner Handlungsfähigkeit stark eingeschränkt.

Die Strategie der Wikinger in Mercia zeigte ihre Fähigkeit, flexibel zu agieren: Anstatt ihre Kräfte in langwierigen Kämpfen zu binden, akzeptierten sie Tribut und nutzten Mercia als Pufferzone, während sie ihre Kampagnen in anderen Regionen fortsetzten.


 

Der Widerstand in Wessex

Wessex, das südliche angelsächsische Königreich, erwies sich als härtester Gegner der Wikinger. Unter der Führung von König Alfred dem Großen zeigte Wessex eine bemerkenswerte Widerstandsfähigkeit. Alfred nutzte eine Kombination aus militärischer Taktik, diplomatischem Geschick und religiösem Eifer, um die Invasoren zurückzudrängen.


Während die anderen Königreiche fielen oder in die Bedeutungslosigkeit gedrängt wurden, wurde Wessex zum Zentrum des angelsächsischen Widerstands. Alfreds Erfolg im Kampf gegen die Wikinger – insbesondere nach der Schlacht von Edington 878 – legte den Grundstein für die spätere Vereinigung Englands unter einer zentralen Herrschaft.


Die angelsächsischen Königreiche waren nach den Kampagnen der Großen Heidnischen Armee nahezu ausgelöscht. Die politische Landschaft Englands wurde von den Wikingern radikal verändert: Während einige Gebiete unter nordischer Herrschaft standen, kämpfte der Rest ums Überleben.Dieser Umbruch führte jedoch auch zur Entstehung einer neuen Ordnung. Die Erfahrungen mit den Wikingern zwangen die verbleibenden Königreiche, ihre militärischen und politischen Strukturen zu modernisieren, was langfristig zur Stärkung der englischen Monarchie beitrug. Die Große Heidnische Armee hatte nicht nur Tod und Zerstörung gebracht, sondern auch unfreiwillig die Weichen für eine spätere Vereinigung Englands gestellt.


 

Ein neues England

Das Erbe der Großen Heidnischen Armee ist vielschichtig. Obwohl sie Tod und Zerstörung brachten, trugen ihre Aktivitäten auch zur Transformation Englands bei. Die kulturelle Verschmelzung, die politischen Anpassungen und die wirtschaftlichen Impulse, die sie hinterließen, halfen, die Grundlage für ein vereintes und stabiles England zu schaffen.Selbst heute sind die Spuren dieser Ära sichtbar: in Ortsnamen, in archäologischen Funden und im kulturellen Gedächtnis Englands, das die Wikinger sowohl als gefürchtete Krieger als auch als entscheidende Akteure in der Geschichte des Landes erinnert.


 

Das Ende der Kampagne

Die Große Heidnische Armee löste sich um 878 auf. Während ein Teil der Armee sich niederließ und in den eroberten Gebieten ein neues Leben begann, zog der Rest weiter, um neue Gebiete zu plündern und zu erobern.

Die Große Heidnische Armee war nicht nur ein Symbol für die militärische Macht der Wikinger, sondern auch für ihre Fähigkeit, sich anzupassen und dauerhafte Spuren in der Geschichte zu hinterlassen. Ihre Kampagnen zeigten, dass die Wikinger mehr waren als plündernde Krieger – sie waren auch Eroberer, Händler und Siedler, die Europa für immer veränderten.



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