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Die Wikingerschiffe – Meisterwerke der Seefahrt (Mit Video)

  • Autorenbild: Michael Praher
    Michael Praher
  • 5. Apr.
  • 7 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 13. Aug.

Ein Mächtiges Wikingerschiff Segelt Über Das Meer.

Inhaltsverzeichnis:

Einleitung

Wenn man an die Wikinger denkt, erscheinen sofort Bilder von Drachenbooten auf stürmischer See. Diese Schiffe waren weit mehr als nur Transportmittel – sie verkörperten Macht, Innovation und die Entschlossenheit eines Volkes, das die Meere des Nordens beherrschte. Ohne ihre ausgefeilte Schiffsbaukunst wären weder Raubzüge noch Handelsnetzwerke oder Siedlungsgründungen in Island, Grönland und sogar Nordamerika möglich gewesen. Die Wikingerschiffe waren das Rückgrat einer maritimen Kultur, die das Mittelalter tiefgreifend prägte.

Die Bedeutung der Wikingerschiffe für die nordische Expansion


Symbol der Macht und Mobilität

Für die Wikinger waren Schiffe mehr als bloße Fortbewegungsmittel – sie waren Ausdruck gesellschaftlicher Stellung, kultureller Identität und göttlicher Verbindung. Ein prächtig geschnitztes Langschiff konnte Status und Einfluss eines Jarls widerspiegeln, während ein schlichtes Knorr den Alltag der Händler verkörperte. Kein Volk des Frühmittelalters nutzte seine Schiffe so vielseitig wie die Wikinger.


Dank ihrer einzigartigen Konstruktion konnten die Wikingerschiffe Flüsse und Meere gleichermaßen durchqueren. Der geringe Tiefgang erlaubte es, nahe am Ufer anzulanden oder flache Flüsse wie die Seine, die Themse oder die Newa zu befahren – ein klarer strategischer Vorteil in Zeiten, in denen viele Städte kaum auf Angriffe vom Wasser aus vorbereitet waren.


Zugang zu fernen Welten

Ob zur Plünderung in England, zum Handel in Byzanz oder zur Entdeckung neuer Siedlungsgebiete – die Schiffe waren die Voraussetzung für jede Form der Expansion. Auf ihnen kamen Waren, Ideen, Menschen und Mythen in Bewegung. Ohne sie hätte es keine Gründung von Dublin, keine Entdeckung Amerikas durch Leif Eriksson und keinen kulturellen Austausch zwischen Nord- und Mitteleuropa gegeben.

Die Schiffstypen der Wikinger – Von Krieg bis Kolonisierung


Das Langschiff (Drakkar) – Krieg auf hoher See

Das bekannteste aller Wikingerschiffe war das Langschiff, auch „Drakkar“ genannt. Diese langen, schmalen Schiffe waren auf Geschwindigkeit, Wendigkeit und Schrecken ausgelegt. Mit ihren schnittigen Rümpfen konnten sie leicht über das Wasser gleiten – entweder unter Segeln oder durch die Kraft vieler Ruderer. Besonders charakteristisch war der meist kunstvoll geschnitzte Drachenkopf am Bug, der dazu diente, Feinde einzuschüchtern und böse Geister zu vertreiben.


Langschiffe wurden hauptsächlich für Raubzüge und militärische Expeditionen genutzt. Sie boten Platz für 40 bis 100 Krieger und konnten innerhalb kürzester Zeit ganze Küstensiedlungen überfallen und wieder verschwinden lassen – ein taktischer Albtraum für ihre Gegner.


Das Knorr – Rückgrat des Handels

Im Gegensatz zum Langschiff war das Knorr (altnordisch „Knörr“) breiter, tiefer und stabiler gebaut. Es konnte große Mengen an Waren, Tieren und Menschen transportieren und war ideal für den Fernhandel. Mit einem einzigen Mast und einem breiten Rumpf ausgestattet, waren Knorrs weniger schnell, dafür aber äußerst robust – perfekt für Überfahrten über den Nordatlantik.


Die Knorrs bildeten das Fundament für das wirtschaftliche Netzwerk der Wikinger, das sich von den Flüssen Osteuropas bis in den Nahen Osten spannte. Auch für Kolonisationen – etwa in Island oder Grönland – waren diese Schiffe unverzichtbar.


Das Karve – Das Allzweck-Schiff

Zwischen Langschiff und Knorr stand das Karve – ein kleineres, vielseitiges Schiff, das sowohl für Erkundung, Fischfang als auch für regionale Transporte geeignet war. Es wurde häufig von Siedlern oder kleineren Kriegstrupps genutzt. Dank seiner Flexibilität fand es in vielen Lebensbereichen der Wikinger Verwendung.

Die Raben Huginn und Muninn auf einem alten Holzschild mit nordischen Symbolen und Verzierungen.

Die Bauweise der Wikingerschiffe – Funktion trifft Ästhetik


Klinkerbauweise – Das Erfolgsgeheimnis

Die Wikingerschiffe wurden in der sogenannten Klinkerbauweise gefertigt – eine Technik, bei der die hölzernen Planken überlappend (ähnlich wie Dachziegel) am Rumpf befestigt wurden. Diese überlappenden Planken wurden mit Eisennägeln oder Holznieten verbunden und anschließend sorgfältig mit Moos, Tierhaaren und Pech abgedichtet. Das Ergebnis war ein flexibler und dennoch stabiler Schiffskörper, der sich an die Wellenbewegung anpasste, anstatt gegen sie zu arbeiten. Dies verlieh den Schiffen eine außerordentliche Seetüchtigkeit, selbst in rauer See.


Die Klinkerbauweise war nicht nur funktional – sie machte die Schiffe auch leicht, wendig und schnell. Im Vergleich zu den schwerfälligen Schiffen ihrer Zeitgenossen galten Wikingerschiffe als technologisch überlegen.


Materialien – Holz als Werkstoff der Götter

Für den Bau verwendeten die Wikinger vorwiegend Eichenholz, das wegen seiner Festigkeit und Widerstandsfähigkeit besonders geschätzt wurde. Eiche eignete sich ideal für den Rumpf, während für Ruder, Masten und Querbalken auch Esche, Ulme oder Kiefer zum Einsatz kamen. Die Auswahl des Holzes war kein Zufall: Sie folgte einem tiefen Verständnis für die Eigenschaften verschiedener Baumarten und deren Verhalten im Wasser.


Die Planken wurden in mühevoller Handarbeit mit Äxten und Ziehmessern bearbeitet. In vielen Fällen wurde das Holz über offenem Feuer gebogen, um es an die Rundung des Rumpfes anzupassen – ein arbeitsintensiver, aber hochpräziser Prozess.


Skipasmiðir – Die Meister des Schiffbaus

Der Bau eines Wikingerschiffes war ein Gemeinschaftsprojekt, das die Fähigkeiten spezialisierter Handwerker erforderte – den Skipasmiðir (Schiffsbauern). Diese Männer genossen hohes Ansehen, denn ihr Handwerk verband praktisches Können mit spiritueller Bedeutung. Der Bauplatz lag oft in der Nähe eines Waldes, sodass die benötigten Bäume unmittelbar gefällt und verarbeitet werden konnten. Ein großes Schiff konnte bis zu ein Jahr Bauzeit in Anspruch nehmen.


Ein flacher Kiel ermöglichte es den Schiffen, selbst in seichtem Wasser zu navigieren – ein taktischer Vorteil, der spontane Anlandungen ermöglichte, selbst an Orten ohne Hafen. Dies war entscheidend für Plünderungen, Überraschungsangriffe oder die Besiedlung unbekannter Küsten.


Kunstvolle Verzierungen – Zwischen Schutzzauber und Einschüchterung

Viele Schiffe wurden mit geschnitzten Drachenköpfen, Tiermotiven oder mythologischen Szenen geschmückt. Diese Verzierungen hatten mehrere Funktionen: Sie dienten als Schutz gegen böse Geister, sollten Feinde in Angst versetzen – und sie spiegelten den sozialen Status des Besitzers wider. Besonders aufwendig verzierte Schiffe gehörten Königen oder Häuptlingen, die mit ihrem Prunk Ansehen und Autorität demonstrierten.

Die Kunst der Navigation – Mit Sonnenstein und Instinkt


Ohne Kompass über das offene Meer

Die Wikinger verfügten über keinerlei moderne Navigationsinstrumente – und dennoch segelten sie von Skandinavien bis nach Neufundland. Wie war das möglich? Die Antwort liegt in einem Mix aus scharfer Beobachtung, Erfahrung und technischer Finesse.


Eines der wichtigsten Werkzeuge war der Sonnenkompass – eine flache Holzscheibe mit Markierungen, die mit Hilfe des Sonnenstandes die Himmelsrichtungen anzeigte. Doch selbst bei bedecktem Himmel fanden sie Wege: Archäologische und literarische Hinweise deuten darauf hin, dass sie sogenannte Sonnensteine verwendeten – Kristalle wie Kalzit oder Cordierit, mit denen sich selbst durch Wolken die Position der Sonne bestimmen ließ.


Natur als Navigationshilfe

Neben astronomischen Methoden beobachteten die Wikinger:


  • Wellenrichtungen, um Meeresströmungen zu deuten

  • Wolkenformationen, die auf nahe Küsten hindeuten konnten

  • Vogelverhalten, da viele Seevögel das Land nicht weit verlassen

  • Farbe und Geruch des Wassers, um Flussmündungen zu erkennen


Diese Fähigkeiten wurden nicht theoretisch gelehrt, sondern mündlich über Generationen weitergegeben. Der Navigator an Bord, der Stýrimaðr, war ein erfahrener Seemann mit einem ausgezeichneten Gedächtnis für Küstenlinien, Landmarken und Strömungen. In Kombination mit der überragenden Manövrierfähigkeit ihrer Schiffe machten diese Kenntnisse die Wikinger zu den unangefochtenen Herren des Nordatlantiks.

Das kulturelle Erbe der Wikingerschiffe

Wikingerschiffe waren nicht nur Transportmittel – sie waren heilige Objekte mit tiefem symbolischem Gehalt. Ihre Rolle im Leben der Wikinger endete nicht mit der letzten Seereise. In vielen Fällen begleiteten sie bedeutende Persönlichkeiten auch auf ihrer Reise ins Jenseits. Schiffbestattungen, wie sie bei hochrangigen Kriegern oder Adligen durchgeführt wurden, belegen den hohen spirituellen Stellenwert der Schiffe in der nordischen Gesellschaft.


Diese Bestattungen waren prachtvolle Rituale. Der Verstorbene wurde mit Waffen, Schmuck, Lebensmitteln und manchmal sogar geopferten Tieren oder Sklaven in ein Schiff gelegt, das entweder verbrannt oder in einem Hügel begraben wurde. Solche Gräber waren Ausdruck von Macht, spirituellem Glauben und sozialem Status – das Schiff diente als symbolisches Gefährt in die Anderswelt.


Auch in der nordischen Mythologie spielt das Schiff eine Rolle: Das gigantische Totenschiff Naglfar, aus den Fingernägeln der Toten gefertigt, wird bei Ragnarök auslaufen und die Mächte des Chaos zu den Göttern führen – ein düsteres Spiegelbild der irdischen Schifffahrt.

Berühmte Funde: Oseberg und Gokstad

Zwei der spektakulärsten archäologischen Entdeckungen skandinavischer Geschichte sind das Oseberg-Schiff und das Gokstad-Schiff, beide im 9. Jahrhundert gefertigt und in Norwegen gefunden.


Das Oseberg-Schiff (834 n. Chr.)

Das Oseberg-Schiff wurde in einem Grabhügel bei Tønsberg entdeckt. Es diente als Grab für zwei Frauen von hohem Rang – vermutlich eine Adlige und ihre Dienerin oder Priesterin. Das Schiff ist reich mit filigranen Holzschnitzereien verziert, darunter Tiermotive, Schlangen und geometrische Muster. Die Beigaben – darunter Schlitten, ein Zeltwagen, fein gearbeitete Textilien und Tieropfer – machen diesen Fund zu einer der bedeutendsten Quellen für das Verständnis der Wikingerkultur und ihrer Bestattungssitten.


Das Gokstad-Schiff (um 890 n. Chr.)

Das Gokstad-Schiff war ein echtes Hochseegefährt. Im Gegensatz zum Oseberg-Schiff ist es robuster, weniger verziert und für lange Seereisen konzipiert. Es wurde ebenfalls in einem Hügelgrab gefunden, das einem etwa 40-jährigen Mann gehörte – vermutlich ein Jarl oder Kriegsführer. Das Schiff bietet Platz für 32 Ruderer und war auch mit einem Mast ausgestattet. Es zeigt eindrucksvoll, wie fortschrittlich die Wikinger ihre Seefahrtstechnologie beherrschten.


Beide Schiffe sind heute im Wikingerschiffsmuseum in Oslo ausgestellt – ein Muss für alle, die die maritime Meisterschaft der Wikinger hautnah erleben wollen.

Moderne Relevanz und Popkultur

Wikingerschiffe sind zu Ikonen nordischer Identität geworden. Ihre Silhouetten zieren heute Fahnen, Logos, Münzen und Militärabzeichen. In der Popkultur tauchen sie regelmäßig auf – in Serien wie Vikings, Filmen wie Der 13te Krieger oder Spielen wie Assassin’s Creed: Valhalla. Doch jenseits der Romantisierung vermitteln sie ein echtes Bild davon, wie weit fortgeschritten die Technik und das Handwerk der Wikinger tatsächlich waren.


Auch heute noch werden Nachbauten originalgetreu rekonstruiert. Das bekannteste Beispiel ist die „Sea Stallion from Glendalough“, eine Replik des Skuldelev-Schiffes, die 2007–08 von Dänemark bis nach Irland segelte – ein Beweis, dass Wikingerschiffe auch nach über 1.000 Jahren noch seetauglich sind.

Fazit – Schiffe, die Geschichte schrieben

Die Wikingerschiffe waren technologische Meisterwerke, kulturelle Symbole und entscheidende Triebkräfte der Expansion der Nordmänner. Ohne sie hätte die Wikingerzeit nie ihre historische Reichweite entfalten können. Sie verbanden die skandinavische Welt mit Irland, Byzanz und sogar Nordamerika – und wurden zu Werkzeugen einer globalen Einflussnahme, wie sie im frühen Mittelalter einzigartig war.


Ihre Bauweise, Vielseitigkeit und spirituelle Bedeutung zeigen, dass hinter dem Bild des wilden Seefahrers ein tiefes Verständnis für Handwerk, Natur und Kosmos stand. Die Wikingerschiffe sind nicht nur Relikte einer vergangenen Zeit – sie sind lebendige Zeugnisse einer Kultur, die das Meer nicht nur befuhr, sondern verehrte.

FAQ – Häufige Fragen zu Wikingerschiffen

Wie schnell waren Wikingerschiffe?

Langschiffe konnten bei idealen Bedingungen bis zu 20 Knoten (etwa 37 km/h) erreichen – eine bemerkenswerte Geschwindigkeit für die damalige Zeit.

Wie viele Menschen passten auf ein Langschiff?

Ein typisches Langschiff bot Platz für 40–60 Mann, größere Modelle sogar für bis zu 100 Krieger.

Gab es Unterschiede zwischen Handels- und Kriegsschiffen?

Ja – Kriegsschiffe waren lang und schmal (Langschiffe), Handelsschiffe (Knorr) dagegen breiter und trugen mehr Last.

Wie navigierten Wikinger ohne Kompass?

Sie nutzten Sonnenstand, Sonnenkompass, Sonnensteine, Wellenmuster, Vogelverhalten und mündliche Überlieferung zur Navigation.

Gibt es heute noch originale Wikingerschiffe?

Ja – z. B. das Oseberg- und Gokstad-Schiff, die im Wikingerschiffsmuseum in Oslo ausgestellt sind.



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