Druiden bei den Wikingern – Mythos oder Realität? (Mit Video)
- Michael Praher

- 5. Apr.
- 6 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 13. Aug.

Inhaltsverzeichnis:
Einleitung
Druiden gehören zu den geheimnisvollsten Gestalten der europäischen Geschichte. Als spirituelle Elite der keltischen Gesellschaft verbanden sie Religion, Recht, Heilkunst und Philosophie in einer Person. Gleichzeitig faszinieren sie bis heute durch ihre enge Verbindung zur Natur, ihre Rituale in heiligen Hainen und ihr verborgenes Wissen. Doch immer wieder taucht die Frage auf: Gab es auch bei den Wikingern Druiden – oder zumindest vergleichbare Gestalten? Waren die spirituellen Führer des Nordens Teil einer gemeinsamen europäischen Tradition, oder entwickelten sich ihre Rollen unabhängig voneinander?
In diesem Artikel werfen wir einen differenzierten Blick auf die Welt der Druiden und vergleichen sie mit den spirituellen Figuren der nordischen Kultur. Dabei untersuchen wir Parallelen, Unterschiede – und mögliche historische Berührungspunkte zwischen Kelten und Wikingern.
Wer waren die Druiden?
Druiden waren weit mehr als nur Priester – sie waren das geistige Rückgrat der keltischen Welt. Als Vermittler zwischen Göttern und Menschen, Hüter alten Wissens und Richter in Streitfragen nahmen sie eine herausragende Stellung ein. Ihre Ausbildung dauerte viele Jahre, meist über ein Jahrzehnt, da ihr gesamtes Wissen mündlich weitergegeben wurde. Dies verlieh ihnen eine Aura des Geheimen und Unergründlichen.
Die antiken Quellen, insbesondere Julius Cäsars „De Bello Gallico“, schildern die Druiden als eine mächtige Kaste, die über Leben und Tod entscheiden konnte. Sie waren von Kriegsdienst und Steuerpflicht befreit, durften zwischen verfeindeten Stämmen vermitteln und galten als unantastbar. Der römische Staat, der eine klare Trennung von Religion und Macht anstrebte, sah in ihnen eine Bedrohung – weshalb sie systematisch verfolgt wurden. Das Massaker an den Druiden auf der Insel Anglesey durch römische Truppen unter Suetonius Paulinus gilt als Wendepunkt ihrer Geschichte.
Trotz der römischen Verfolgung überlebten druidische Konzepte in Irland, Wales und Schottland in mündlichen Überlieferungen und wurden später in der christlichen Literatur romantisiert. Figuren wie Merlin oder Taliesin weisen starke druidische Züge auf, auch wenn sie in einem neuen religiösen Kontext dargestellt werden.
Spirituelle Führer der Wikinger – Ein Überblick
In der altnordischen Welt existierte kein institutionalisierter Stand, der mit den keltischen Druiden vergleichbar wäre. Dennoch gab es zahlreiche religiöse Spezialisten, die tiefes Wissen über Rituale, Weissagung und Magie besaßen. Sie traten nicht als geschlossene Kaste auf, sondern als einzelne, oftmals charismatische Persönlichkeiten.
Die Völva – Seherin und Schicksalsweberin
Die bekannteste spirituelle Figur der nordischen Welt war die Völva. Diese meist ältere Frau war eine wandernde Prophetin, die durch Gesänge, Trancezustände und rituelle Gesten in die Zukunft blicken konnte. Sie beherrschte den Seiðr, eine Form der Magie, die auch Odin selbst erlernen musste – ein Hinweis auf ihre enorme Bedeutung. Die Völuspá, eine der berühmtesten Eddalieder, beginnt mit den Worten einer Völva, die Odin das Schicksal der Welt offenbart.
Goðar – Priester und politische Führer
Die Goðar waren Priester, die vor allem im isländischen Siedlungsraum als religiöse und politische Autoritäten fungierten. Sie leiteten Blót-Rituale, organisierten heilige Feste und verwalteten Tempel (Hofe). Anders als die Druiden waren sie nicht Teil einer religiösen Kaste, sondern stammten meist aus der örtlichen Oberschicht. Ihr Amt war teilweise erblich, teilweise politisch – ein Zeichen für die enge Verflechtung von Religion und Stammesführung.
Runenmeister – Hüter der Zeichen
Runenmeister waren Experten der magischen und schriftlichen Bedeutung der Runen. Runen wurden nicht nur zum Schreiben verwendet, sondern galten als Träger übernatürlicher Kräfte. Waffen, Amulette und Grabsteine wurden mit ihnen verziert. Runenorakel konnten das Schicksal deuten, Flüche aussprechen oder Schutzzauber wirken. Die Erzählung von Odins Selbstopfer am Weltenbaum Yggdrasil, um das Wissen der Runen zu erlangen, unterstreicht die mythische Bedeutung dieser Kunst.
Unterschiede und Parallelen – Druiden vs. nordische Seher
Obwohl Druiden und nordische spirituelle Spezialisten einige gemeinsame Elemente teilen, wie etwa Weissagung, Naturverehrung und die Rolle als Vermittler zwischen den Welten, gibt es auch grundlegende Unterschiede:
Diese Unterschiede deuten darauf hin, dass die spirituelle Struktur der nordischen Welt dezentraler und individueller war als die keltische. Während die Druiden ein in sich geschlossenes System bildeten, wirkten die Seher und Priester der Wikinger eher in losen sozialen Netzwerken.
Kontakte zwischen Wikingern und Druiden – Kultureller Austausch?
Trotz aller Unterschiede zwischen der nordischen und der keltischen Welt bestand reger Kontakt – durch Handel, Raubzüge und schließlich auch durch dauerhafte Besiedlung. Besonders ab dem 8. Jahrhundert drangen Wikinger in Regionen vor, die zuvor vom Druidentum geprägt waren, etwa Irland, Schottland, Wales und die Isle of Man.
In diesen Gebieten könnten die Wikinger mit den letzten Ausläufern druidischer Traditionen in Berührung gekommen sein. Zwar war das klassische Druidentum zur Wikingerzeit bereits durch römische und christliche Einflüsse stark zurückgedrängt worden, doch mündliche Überlieferungen und lokale Bräuche überdauerten vielerorts.
Hinweise auf spirituelle Vermischung
Nordisch-keltische Siedlungen wie Dublin oder Jorvik (York) zeigen eine Verschmelzung von Kulturen. Sprachliche Lehnwörter, gemeinsame Kunstformen und geteilte Begräbnissitten deuten auf mehr als nur wirtschaftlichen Austausch hin.
Keltische Symbole in skandinavischen Gräbern, darunter Amulette, Schmuck oder Knotenornamente, zeigen mögliche religiöse Einflüsse.
In nordischen Sagas treten gelegentlich Figuren auf, die keltischen Druiden ähneln – etwa weise Männer mit tiefem Naturverständnis, heilkundlichem Wissen oder prophetischen Fähigkeiten.
Ob diese Einflüsse direkten Kontakt mit tatsächlichen Druiden voraussetzten oder eher das Erbe eines kulturellen Gedächtnisses waren, bleibt unklar. Es ist jedoch plausibel, dass sich in den Grenzregionen beider Welten Elemente vermischten – sei es durch Heiratsverbindungen, Handel oder gegenseitige Neugier auf die spirituellen Praktiken des Anderen.
Keltische und nordische Magie – Gemeinsamkeiten und Unterschiede
Gemeinsame Grundlagen
Sowohl die Kelten als auch die Nordgermanen lebten in enger Verbindung mit der Natur. Bäume, Flüsse, Felsen und Tiere wurden als heilig angesehen. Rituale fanden oft unter freiem Himmel statt, in Wäldern oder an Quellen. Beide Kulturen glaubten an eine unsichtbare, wirkmächtige Welt, die durch bestimmte Individuen zugänglich gemacht werden konnte.
Magie war dabei nicht bloßer Aberglaube, sondern integraler Bestandteil der Weltsicht. Wahrsagung, Schutzzauber, Heilkunst und Rituale zur Beeinflussung des Schicksals gehörten zum spirituellen Alltag.
Rituale und Opfer
Kelten vollzogen Rituale in heiligen Hainen. Tieropfer, rituelle Speisungen und manchmal sogar Menschenopfer wurden dokumentiert, auch wenn letztere umstritten sind.
Wikinger hielten Blóts ab – Feste mit Tieropfern, Gesängen und Trinkgelagen zu Ehren der Götter. Besonders wichtig waren Fruchtbarkeitsrituale und Opfer zu Winter- und Sommersonnenwenden.
Magische Schriftzeichen
Die Ogham-Schrift der Kelten wurde – ähnlich wie Runen – teils als magisches Werkzeug verwendet.
Die Runen galten im Norden als heiliges Geschenk Odins. Sie dienten nicht nur der Kommunikation, sondern auch der Magie: zur Heilung, zum Schutz, zur Weissagung oder für Flüche.
Philosophie und Struktur
Die Druiden waren Teil einer stark strukturierten, hierarchischen Ordnung. Ihre Ausbildung war lang, ihr Wissen systematisch.
Die nordischen Seher und Priester wirkten autonom, inspiriert durch Visionen, göttliche Gunst oder familiäre Tradition.
Fazit: Gab es Druiden bei den Wikingern?
Die Vorstellung, dass Wikinger Druiden hatten, ist historisch nicht belegt – und dennoch nicht völlig abwegig. Zwar gab es keine Druiden im engeren Sinne in der skandinavischen Kultur, doch spirituelle Spezialisten wie Völven, Goðar und Runenmeister erfüllten ähnliche Funktionen.
Der Unterschied liegt vor allem in der Organisation: Während die Druiden eine geschlossene Kaste mit klarer Lehre bildeten, waren die spirituellen Führer der Wikinger weniger institutionalisiert, oft wandernd, unabhängig oder mit politischen Rollen verwoben.
Durch den Kontakt mit der keltischen Welt könnten druidische Konzepte in subtiler Form weitergelebt haben – in Erzählungen, Symbolen oder Praktiken. Der Mythos vom nordischen Druiden ist also vielleicht kein Fakt – aber ein Echo realer kultureller Begegnungen und spiritueller Ähnlichkeiten.
FAQ – Häufig gestellte Fragen
Gab es Druiden in Skandinavien?
Nein, nicht im eigentlichen Sinne. Die nordische Kultur hatte eigene spirituelle Figuren wie die Völva oder den Goði, die ähnliche Rollen erfüllten, aber keine Druiden im keltischen Stil.
Könnten Druiden und Wikinger sich begegnet sein?
Ja. Besonders in Irland, Schottland und auf den britischen Inseln ist ein kultureller Austausch belegt – inklusive spiritueller Elemente.
Waren die Völven weibliche Druiden?
Nicht direkt. Zwar erfüllten sie ähnliche Funktionen (Weissagung, Rituale, spirituelle Führung), doch sie waren Teil einer anderen kulturellen und religiösen Ordnung.
Gibt es Belege für keltische Einflüsse auf die nordische Religion?
Ja – in der Ornamentik, in Sagas mit druidisch anmutenden Figuren und in archäologischen Funden aus Gebieten mit gemischter Bevölkerung.
Warum fasziniert die Verbindung zwischen Wikingern und Druiden so sehr?
Beide stehen für eine archaische, mystische Welt – voller Rituale, Naturmagie und spiritueller Tiefe. Die Vorstellung, dass sie einander beeinflusst haben könnten, verbindet zwei der faszinierendsten Mythologien Europas.











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