Nordische Magie: Seiðr, Galdr und Runenrituale
- Michael Praher

- 5. Juni
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: vor 3 Tagen

Inhaltsverzeichnis:
Einleitung
Wenn wir an Magie denken, denken viele an Zauberstäbe, Hexenkessel und geheimnisvolle Beschwörungen. Doch die nordische Welt hatte ihre ganz eigene Vorstellung von Magie – tief verwoben mit ihrer Mythologie, ihrer Spiritualität und ihrem Alltag. Die Formen nordischer Magie sind vielseitig, mächtig und zum Teil bis heute überliefert. In diesem Artikel werfen wir einen Blick auf die drei zentralen Praktiken: Seiðr, Galdr und die magische Arbeit mit Runen.
Seiðr – Die Magie des Schicksals
Ursprung und Bedeutung
Seiðr (ausgesprochen „Säithr“) war eine Form der Zauberei, die in der nordischen Gesellschaft als besonders mächtig, aber auch ambivalent galt. Sie stand in engem Zusammenhang mit der Schicksalsmagie und der Kommunikation mit der unsichtbaren Welt.
Der Begriff bedeutet so viel wie „Weben“ oder „Binden“ – was auf die Vorstellung hinweist, dass Praktizierende das Schicksal anderer beeinflussen oder „neu verweben“ konnten.
Wer praktizierte Seiðr?
Seiðr wurde oft mit weiblichen Praktizierenden (den sogenannten Völvur) assoziiert. Diese Seherinnen waren hoch angesehen – aber auch gefürchtet. In den Sagas treten sie als wandernde Prophetinnen auf, die für Könige und Stammesführer Weissagungen machten.
Interessanterweise war auch der Gott Odin ein Meister des Seiðr – obwohl diese Form der Magie in der damaligen Gesellschaft als „unmännlich“ (ergi) galt. Odins Beherrschung dieser verbotenen Kunst macht ihn zu einer schillernden, ambivalenten Gestalt.
Rituale und Praxis
Seiðr war ein ekstatischer, trancebasierter Ritus. Eine Seiðkona setzte sich oft auf einen erhöhten Sitz (seiðhjallr), begleitet von rituellen Gesängen und manchmal Trommeln. Durch Ekstase oder Trance trat sie in Kontakt mit Geistern, Ahnen oder Göttern – und konnte so:
Schicksale sehen oder verändern
Krankheiten heilen oder senden
Feinde schwächen
Wetter beeinflussen
Galdr – Die Macht der Stimme
Was ist Galdr?
Während Seiðr stark trancebasiert war, basierte Galdr auf der bewussten Anwendung von Worten, Klängen und Gesang. Das altnordische Wort galdr bedeutet „Zaubergesang“ oder „magischer Ruf“. Es war eine Form der gesprochenen oder gesungenen Magie.
Galdr ist eng verbunden mit der Vorstellung, dass Worte Macht haben – eine Idee, die tief in der nordischen Weltanschauung verankert war.
Die Rolle der Runen im Galdr
Viele Galdr-Zauber enthielten Runennamen oder Runenzeichen. Der Singende oder Rezitierende konnte durch die Kombination von Klang und Zeichen eine doppelte Wirkung erzielen: akustisch und symbolisch.
Beispiele:
Schutzgesänge
Liebeszauber
Verwünschungen
Heilgesänge
Wer praktizierte Galdr?
Galdr konnte von Männern wie Frauen ausgeübt werden, besonders von Skalden (Dichtern), Schamanen und auch Kriegern. Selbst in den Eddas wird beschrieben, wie Odin mit Galdr neun mächtige Lieder von einem verstorbenen Seher erlernte – ein Hinweis auf die spirituelle Tiefe dieser Praxis.

Runenrituale – Zeichen der Macht
Runen als mehr als nur Schrift
Die Runen – insbesondere das ältere Futhark – waren mehr als ein Alphabet. Jede Rune trug eine tiefere symbolische Bedeutung. Sie waren zugleich Schriftzeichen, magische Symbole und spirituelle Archetypen.
Magische Anwendung von Runen
In der nordischen Magie wurden Runen:
in Holz, Stein oder Metall geritzt – für Amulette, Waffen, Grabsteine
mit Blut „geweiht“ – um ihre Macht zu aktivieren
in Ritualen verwendet – zur Divination oder zum Schutz
Runen als Orakel
Runen wurden auch gezogen oder geworfen – ähnlich wie Tarotkarten. Dabei ging es nicht um konkrete Vorhersagen, sondern um Einsichten, Impulse und spirituelle Reflexion. Eine Rune konnte ein Lebensthema symbolisieren oder auf eine verborgene Dynamik hinweisen.
Nordische Magie im Alltag
Die nordische Magie war nicht auf rituelle Anlässe beschränkt – sie durchzog das tägliche Leben:
Schutzrunen wurden in Türen oder auf Schiffsrümpfe eingeritzt
Liebeszauber oder Fruchtbarkeitssegen gehörten zur Volksmagie
Krieger trugen magische Zeichen auf Schilden oder Waffen
Hebammen und Heilerinnen nutzten Segenssprüche und Rituale zur Geburt
Magie war kein „übernatürliches“ Phänomen – sie war Teil der natürlichen Ordnung, ein Werkzeug zum Überleben in einer gefährlichen Welt.
Der Wandel – von Götterzauber zu moderner Praxis
Christianisierung und Unterdrückung
Mit der Christianisierung Skandinaviens im 10. und 11. Jahrhundert wurde nordische Magie zunehmend als heidnisch und dämonisch gebrandmarkt. Runen wurden verboten, Seherinnen verfolgt, Rituale unterdrückt.
Doch die Praktiken verschwanden nie ganz – sie überlebten in Volksglauben, Hexenprozessen und Familienritualen bis in die Neuzeit.
Wiederentdeckung heute
In der heutigen Esoterik-, Neuheiden- und Runenszene erleben Seiðr, Galdr und Runenrituale eine Wiederbelebung. Menschen praktizieren sie zur Selbstreflexion, Energiearbeit oder spirituellen Verbindung mit der nordischen Welt.
Dabei gilt: Es geht nicht darum, alte Rituale eins zu eins zu kopieren – sondern sie respektvoll zu adaptieren, zu verstehen und neu mit Leben zu füllen.
🔎 Fazit: Die Magie der Nordlichter lebt
Nordische Magie war keine Show und kein Hollywood-Spektakel. Sie war Teil einer Weltanschauung, die Natur, Geist und Schicksal miteinander verband. Seiðr, Galdr und Runen waren Mittel, um mit dieser verborgenen Welt in Kontakt zu treten.
Wer sich heute mit diesen Praktiken beschäftigt, begegnet nicht nur alten Göttern – sondern sich selbst. Denn echte Magie beginnt immer dort, wo wir bewusst, achtsam und verbunden handeln.
🧠 FAQ – Häufige Fragen zur nordischen Magie
Was ist der Unterschied zwischen Seiðr und Galdr?
Seiðr ist trancebasierte, schamanisch geprägte Magie – Galdr ist vokale, gesungene oder gesprochene Zauberei.
Waren Runenrituale echte Magie oder Symbolik?
Beides. Runen wurden als reale Werkzeuge mit spiritueller Wirkung verstanden – aber ihre Kraft entfaltet sich oft erst im Kontext der richtigen Absicht und Anwendung.
Kann man Seiðr oder Galdr heute noch praktizieren?
Ja – viele moderne Neuheiden, Schamanen oder Esoteriker adaptieren diese Praktiken achtsam für ihre spirituelle Arbeit.










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