Aslaug – Königin der Wikinger, Tochter der Legende
- Michael Praher

- 13. Nov.
- 7 Min. Lesezeit

Einleitung
In den Schatten großer Männer werden oft die bemerkenswertesten Frauen übersehen. So auch Aslaug, die Tochter des Helden Sigurd und der Walküre Brynhildr, und die spätere Ehefrau des berühmten Ragnar Lodbrok. Doch Aslaug war mehr als nur Ragnars Gemahlin – sie war eine Seherin, Königin und Mutter von Kriegern, deren Namen bis heute bekannt sind: Ivar der Knochenlose, Björn Eisenseite, Hvitserk und Sigurd Schlangenauge.
Sie vereint in sich das Erbe der Helden und die Weisheit der Mythen. Ihre Geschichte erzählt von Stärke, Magie, weiblicher Klugheit und dem Kampf darum, in einer Welt der Krieger ernst genommen zu werden.
Herkunft und Kindheit – Die Tochter zweier Legenden
Aslaug (altnordisch Aslauga oder Kraka) war das Kind einer der berühmtesten Verbindungen der nordischen Sagenwelt: Ihr Vater Sigurd Fafnesbane tötete den Drachen Fafnir und gewann unermesslichen Ruhm, während ihre Mutter Brynhildr, eine Walküre, für ihre Schönheit, Stärke und tragische Liebe bekannt war.
Doch Aslaugs Kindheit stand unter einem dunklen Stern. Nachdem ihre Eltern starben – in manchen Überlieferungen durch Verrat und Missverständnisse –, wurde das Mädchen von einem Bauernpaar aufgezogen, das ihre wahre Herkunft verbarg. Um sie zu schützen (oder ihre Herkunft zu verschleiern), nannten sie sie Kraka, was „Krähe“ bedeutet – ein Name, der sowohl Tarnung als auch Symbol ihrer Bestimmung war.
Die junge Aslaug wuchs in Armut auf, verborgen vor der Welt, aber mit einer ungewöhnlichen Schönheit und Klugheit, die niemand übersehen konnte. Ihr Name, verborgen in der Dunkelheit, sollte bald wieder in die Welt getragen werden – durch eine Begegnung, die alles veränderte.
Die Begegnung mit Ragnar Lodbrok
Als Ragnar Lodbrok auf einem seiner Züge an die Küste kam, begegnete er Kraka – der schönen Tochter armer Leute, die in Wahrheit königliches Blut trug. In der Ragnars saga loðbrókar wird diese Szene zu einer der bekanntesten Episoden altnordischer Literatur. Ragnar hatte gehört, dass in dieser Gegend ein außergewöhnliches Mädchen lebte, und schickte Boten zu ihr mit der Herausforderung, „weder bekleidet noch nackt, weder gesättigt noch hungrig, weder allein noch in Gesellschaft“ zu ihm zu kommen.
Aslaug, die nicht nur schön, sondern auch von klugem Verstand und magischer Einsicht war, verstand die Rätselhaftigkeit dieser Worte sofort. Sie erschien in einem Netz gehüllt, aß eine Zwiebel (weder hungrig noch satt) und brachte einen Hund mit (weder allein noch in Gesellschaft).
Diese Antwort überzeugte Ragnar, der sofort erkannte, dass sie keine gewöhnliche Frau war. Ihre Klugheit beeindruckte ihn ebenso wie ihre Erscheinung – und bald darauf machte er sie zu seiner Gefährtin.
Aslaug als Königin und Seherin
Mit der Zeit wurde Aslaug Ragnars Ehefrau und die Mutter seiner berühmtesten Söhne. Doch sie war nicht nur eine Gebärerin von Helden – sie war eine Ratgeberin und Prophetin, die mit seherischer Gabe gesegnet war.
Sie warnte Ragnar mehrfach vor unüberlegten Handlungen, sah kommende Gefahren voraus und verkörperte damit den archetypischen nordischen Typus der weise Frau – ähnlich den Völvur (Seherinnen) der Mythen. Ihre Visionen und ihre Klugheit machten sie zu einer Gestalt zwischen Mensch und Magie, zwischen Realität und Überlieferung.
Doch ihr Leben an Ragnars Seite war nicht frei von Konflikten. Als Ragnar später eine andere Frau, die Königstochter Ingeborg, heiraten wollte, erinnerte Aslaug ihn an seine Schwüre – und an den göttlichen Ursprung ihrer Kinder. Denn Aslaug hatte ihm einst offenbart, dass sie die Tochter des Drachentöters Sigurd sei – eine Abstammung, die ihre Kinder mit heroischem und beinahe göttlichem Blut verband.
Aslaug als Mutter der Helden – Blutlinie der Legenden
Aslaug und Ragnar Lodbrok hatten mehrere Kinder, die zu den bekanntesten Namen der Wikingerzeit zählen. Ihre Söhne wurden nicht nur Krieger, sondern zu Symbolfiguren für Macht, Ehre und Schicksal. Unter ihnen waren Ivar der Knochenlose, Björn Eisenseite, Hvitserk und Sigurd Schlangenauge – jede dieser Figuren trägt eine eigene Legende, und doch sind sie alle mit der Stärke, Klugheit und göttlichen Herkunft ihrer Mutter verbunden.
Aslaug soll ihren Söhnen nicht nur das Leben geschenkt, sondern ihnen auch Weisheit und Schicksalsbewusstsein mitgegeben haben. In manchen Überlieferungen lehrte sie sie sogar Runenkunde und Zauberlieder, was ihre Verbindung zur Magie der alten Welt weiter unterstreicht. Besonders Ivar der Knochenlose, der durch körperliche Schwäche geprägt war, erhielt von seiner Mutter das Wissen, wie er seine vermeintliche Schwäche in Macht umwandeln konnte – durch List, Strategie und Intelligenz.
So verkörpert Aslaug einen seltenen Archetyp der nordischen Mythen: die Mutter, deren Stärke nicht im Kampf, sondern im Geist liegt, und die durch Einsicht und Wissen Generationen prägt. Ihre Kinder stehen symbolisch für das Vermächtnis, das sie selbst verkörpert – den Übergang zwischen göttlicher Herkunft und menschlichem Schicksal.
Aslaug zwischen Mythos und Geschichte
Wie bei vielen Gestalten der nordischen Überlieferung verschwimmen bei Aslaug die Grenzen zwischen Mythos und Realität. Während Ragnar Lodbrok historisch zumindest teilweise auf realen Persönlichkeiten basiert, gilt Aslaug vor allem als mythische Figur, die verschiedene kulturelle Strömungen vereint:
Sie steht in der Tradition der Walküren und der seherischen Frauen, die mit den Schicksalsfäden der Welt verbunden sind.
Gleichzeitig verkörpert sie die weibliche Macht in einer patriarchalischen Welt, in der Weisheit und Magie oft über Stärke siegten.
Ihre Figur trägt auch Züge des Märchens, besonders durch ihre Kindheitsgeschichte – das verborgene Königskind, das durch Klugheit und Mut zur Herrscherin wird.
In der Literatur, vor allem in der Ragnars saga loðbrókar und der Völsunga saga, wird sie damit zu einer Brücke zwischen den heroischen Sagen der alten Götter und den legendären Erzählungen der Wikingerzeit.
Aslaug ist mehr als nur eine Nebenfigur – sie ist die Verbindung zwischen zwei Epochen: der mythischen Zeit der Helden und der historischen Ära der Wikinger.
Die Bedeutung ihres Namens und ihrer Symbolik
Der Name Aslaug (altnordisch Áslaug) lässt sich deuten als „von den Göttern verheißene Ehe“ oder „Weihe der Götter“.Schon darin liegt ihre Symbolik verborgen – sie war eine Frau, deren Schicksal von den Göttern gelenkt schien, eine Auserwählte, die göttliches Blut und menschliches Leid in sich vereinte.
Ihr zweiter Name, Kraka („Krähe“), trägt ebenfalls tiefere Bedeutung. Die Krähe ist im nordischen Glauben ein Bote zwischen den Welten, ein Symbol für Wissen, Geheimnis und Omen – und nicht zufällig das Tier, das mit Odin selbst in Verbindung steht.So verweist ihre Tarnidentität als Kraka darauf, dass sie Teil des göttlichen Plans war, verborgen, bis die Zeit reif war, ihre wahre Rolle zu offenbaren.
Aslaug verkörpert also zwei Seiten der Frau in der nordischen Welt: die weise, göttliche Seherin und die irdische, kämpferische Königin, die ihren Platz in einer Welt der Männer behauptet.
Vermächtnis einer Königin – Aslaug als Symbolfigur
Aslaug hinterließ ein Erbe, das weit über ihre eigene Lebensgeschichte hinausreicht. In den Sagas wird sie nicht nur als Ragnars Ehefrau oder Mutter seiner Söhne dargestellt, sondern als Schlüsselgestalt in der geistigen Entwicklung der nordischen Welt. Ihre Geschichte zeigt, dass Macht nicht allein durch Schwert oder Stärke entsteht, sondern durch Weisheit, Einsicht und das Wissen um das Schicksal.
Sie verkörpert die Synthese aus göttlicher Herkunft und menschlicher Erfahrung. Als Tochter des Helden Sigurd und der Walküre Brynhild trägt sie das Erbe der alten Mythen, doch sie selbst bewegt sich bereits in der Welt der Menschen – eine Grenzgängerin zwischen Mythos und Geschichte.
In gewisser Weise ist Aslaug eine der letzten mythischen Figuren vor dem Zeitalter der historischen Wikinger. Ihr Leben steht symbolisch für die Übergangszeit zwischen göttlicher Epik und realer Gesellschaft. Sie repräsentiert die Idee, dass Wissen und Einsicht über rohe Gewalt triumphieren können, und dass die Frauen der nordischen Welt nicht nur Begleiterinnen, sondern Gestalterinnen ihres eigenen Schicksals waren.
Aslaug in der modernen Kultur
In der Popkultur, besonders durch die Serie Vikings, erhielt Aslaug eine neue Interpretation. Dort wird sie als königliche, stolze und zugleich verletzliche Figur dargestellt, die zwischen Liebe, Ehrgeiz und spiritueller Berufung schwankt. Ihre Darstellung zeigt, wie komplex und vielschichtig ihre Figur auch in modernen Adaptionen wirkt: Sie ist keine bloße Nebenfigur, sondern eine mächtige Frau mit Visionen, die Ragnar intellektuell ebenbürtig ist.
Auch in Literatur, Rollenspielen und modernen Neuheidentraditionen wird Aslaug zunehmend als Symbol weiblicher Weisheit, Unabhängigkeit und göttlicher Inspiration verehrt. Manche sehen in ihr eine archetypische Priesterin, eine Seherin oder eine göttliche Mutter, deren Einfluss auf die nordische Kultur unterschätzt wurde.
Damit wird Aslaug heute neu entdeckt – nicht nur als historische Figur, sondern als zeitlose Ikone des Wissens, der Intuition und der inneren Stärke.
Fazit – Zwischen Schicksal und Selbstbestimmung
Aslaug ist eine der faszinierendsten Gestalten der nordischen Sagas. Ihre Geschichte vereint Themen wie göttliche Abstammung, weibliche Stärke, Schicksal und Wissen – und spiegelt das Spannungsfeld wider, in dem viele mythische Figuren stehen: zwischen Freiheit und Vorherbestimmung.
Sie erinnert daran, dass in der nordischen Welt die größten Helden nicht nur Krieger, sondern auch Wissende waren – jene, die verstanden, dass das Schicksal nicht bekämpft, sondern erkannt werden muss. Aslaug war keine Nebenfigur im Schatten Ragnars, sondern eine Königin ihres eigenen Mythos, deren Einfluss bis in die Moderne reicht.
FAQ – Häufige Fragen zu Aslaug
Wer waren Aslaugs Eltern?
Aslaug war die Tochter von Sigurd, dem Drachentöter, und der Walküre Brynhild. Ihre göttliche Abstammung prägte ihren Charakter und ihr Schicksal.
War Aslaug eine reale Person?
Wahrscheinlich nicht im historischen Sinne. Sie entstammt der Sagenliteratur und verbindet mythologische Motive mit Legenden aus der Wikingerzeit.
Welche Rolle spielte Aslaug in der Wikingerkultur?
Sie verkörpert die archetypische weise Frau – eine Prophetin, Mutter und Symbol göttlicher Führung. Ihre Nachkommen, insbesondere Ivar und Björn, prägten die Wikingerzeit nachhaltig.
Warum ist Aslaug auch unter dem Namen Kraka bekannt?
Als sie vor Ragnar unerkannt leben wollte, nannte sie sich Kraka – „die Krähe“. Der Name symbolisiert Weisheit, Geheimnis und das Omen des Schicksals.
Welche Bedeutung hat Aslaug in der Serie Vikings?
In Vikings wird sie als stolze Königin und spirituelle Frau dargestellt, die zwischen Macht, Familie und Visionen zerrieben wird – eine moderne Interpretation ihrer mythischen Tiefe.
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