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Tattoos bei Wikingern – Zwischen Mythos, Körperkunst und Kult

  • Autorenbild: Michael Praher
    Michael Praher
  • 14. Aug.
  • 6 Min. Lesezeit
Ein Wikinger mit leuchtendem Mjölnir Tattoo auf dem Rücken

Inhaltsverzeichnis:

🔸 Fazit

🔸 FAQ

Einleitung: Die Haut als Spiegel des Glaubens?

Wenn wir an Wikinger denken, sehen wir oft bärtige Krieger vor uns – mit Axt, Schild und tätowierter Haut. Doch wie viel Wahrheit steckt hinter dieser Vorstellung? Gab es wirklich Tattoos bei den nordischen Seefahrern – und wenn ja, wie sahen sie aus? Welche Bedeutungen trugen sie auf der Haut, und welche Materialien und Techniken könnten sie verwendet haben? In diesem Artikel tauchen wir tief ein in Legenden, Funde und Indizien, um der Wahrheit über Wikinger-Tattoos auf die Spur zu kommen – zwischen historischer Rekonstruktion, Runenmagie und moderner Symbolik.

Spärliche Quellen – Doch viel Stoff für Spekulation

Die wohl bekannteste Quelle, die auf Tattoos bei Wikingern hindeutet, stammt aus der Feder des arabischen Diplomaten Ahmad Ibn Fadlān. Im 10. Jahrhundert beschrieb er in seinem Reisebericht die Rus – vermutlich Waräger mit skandinavischem Ursprung – und vermerkte, dass ihre Körper von Fingern bis Hals mit dunklen Zeichnungen bedeckt waren, die wie „Bäume oder andere Figuren“ aussahen.


Diese Beschreibung wird heute oft als Hinweis auf Tätowierungen interpretiert. Doch ob es sich wirklich um Tätowierungen, Körperbemalungen oder Narbenmuster handelte, bleibt ungewiss. Die Wikinger selbst hinterließen keine schriftlichen Aufzeichnungen zu diesem Thema – was die Frage nach Tattoos zu einem spannenden Rätsel macht.

Mögliche Techniken und Farben – Wie hätten sie es gemacht?

Angenommen, die Wikinger tätowierten sich tatsächlich – wie könnte das funktioniert haben?


Es gibt keine erhaltenen Werkzeuge, die eindeutig als Tattoo-Werkzeuge identifizierbar sind. Doch in anderen Kulturen jener Zeit – etwa bei den Kelten, Slawen oder indigenen Völkern – wurden Knochen, Nadeln und natürliche Farbstoffe verwendet. Denkbar wäre also, dass auch nordische Seefahrer mit:


  • Feinen Knochennadeln oder Spindelspitzen,

  • Holzkohle oder Ruß vermischt mit Fett,

  • Pflanzenfarbstoffen, etwa aus Walnussschalen oder Blättern,

  • Blut oder Eisenoxid als Fixierung

ihre Haut ritzten und einfärbten.


Solche Techniken wären schmerzhaft, aber wirkungsvoll gewesen – und hätten bleibende Muster hinterlassen, insbesondere bei robusten Hautpartien wie Armen, Schultern oder dem Rücken.

Magie, Schutz, Identität – Die Bedeutungen hinter den Tattoos

Wenn Wikinger ihre Haut tätowierten – was trugen sie dann zur Schau? Waren es bloß Ziermuster, oder verbargen sich dahinter tiefere Bedeutungen? Die nordische Kultur war durchzogen von Symbolik, Glauben und einer engen Verbindung zur Natur wie auch zur göttlichen Welt. Tätowierungen wären ideal gewesen, um diese Welt sichtbar auf der Haut zu tragen.


Runen als magisches Zeichen

Runen waren mehr als nur Schriftzeichen. Sie galten als Träger von Macht – mit ihnen wurde Wissen gehütet, Zauber gewirkt, Schicksale besiegelt. Es liegt nahe, dass Runen – ob als einzelne Buchstaben oder magische Formeln – auch in Tätowierungen verwendet wurden, um Schutz, Stärke oder Erkenntnis zu erlangen.


Beispiele möglicher Runen-Tattoos:

  • Algiz (ᛉ): Schutz, Verbindung zur Götterwelt

  • Tiwaz (ᛏ): Sieg, Ehre, Männlichkeit (dem Kriegsgott Tyr geweiht)

  • Ansuz (ᚨ): Weisheit, Kommunikation, göttliche Eingebung (Odin)

  • Bindrunen: Kombination mehrerer Runen zu einem neuen Zauberzeichen

Tiere, Knotenmuster und nordische Mythen

Neben Runen könnten auch andere Motive auf die Haut gebracht worden sein – aus der reichen Bildwelt der Wikinger:


  • Tiere als Totems: Raben (Odin), Wölfe (Fenrir), Schlangen (Jörmungandr) oder Bären könnten Mut, Schutz oder bestimmte göttliche Kräfte symbolisiert haben.

  • Yggdrasil, der Weltenbaum – als Sinnbild für das Universum und die kosmische Ordnung.

  • Keltisch-nordische Knotenmuster, die Unendlichkeit, Schicksalsverknüpfung und göttliche Ordnung ausdrücken.


All diese Motive waren nicht nur Zierde, sondern trugen Bedeutung – und könnten, ähnlich wie Amulette, als dauerhafte Schutzsymbole auf der Haut getragen worden sein.

Spirituelle und soziale Funktion

Ein Tattoo war womöglich mehr als ein Körperschmuck. Es könnte:


  • Den Stand oder die Rolle einer Person im Clan markieren (etwa ein Seher, ein Krieger, ein Händler),

  • Teil von Initiationsriten gewesen sein – Übergänge vom Jugend- zum Erwachsenenalter, erste Fahrt, Kriegsweihe,

  • Beweise für Mut und Ausdauer darstellen – denn die Prozedur war schmerzhaft,

  • Magische Kräfte binden oder abwehren – ähnlich wie Zauberstäbe oder Runenstäbe.


In einer Kultur, in der Ehre, Schicksal und Götter eine zentrale Rolle spielten, hätten Tätowierungen als dauerhafte Zeichen auf der Haut diese Konzepte verkörpern können.

Und die Frauen?

Auch Frauen könnten Tattoos getragen haben – vielleicht diskreter, auf Unterarmen, Rücken oder Oberschenkeln. In der nordischen Mythologie finden sich viele starke weibliche Figuren – von Schildmaiden bis zu den Völvur (Seherinnen). Gerade letztere könnten magische Zeichen auf ihrer Haut getragen haben, um ihre Verbindung zu den Nornen oder zu Freyja sichtbar zu machen.

Zwischen Mythos und Wahrheit – Was sagen Archäologie und Quellen wirklich?

Bis heute streiten sich Historiker, Archäologen und Tattoo-Enthusiasten darüber, ob die Wikinger tatsächlich tätowiert waren – und wenn ja, wie verbreitet diese Praxis war. Die Frage ist nicht leicht zu beantworten, denn die Quellenlage ist dünn. Doch es gibt Hinweise – und sie sind faszinierend.


Ahmad Ibn Fadlan – Der berühmteste Augenzeuge

Die bekannteste und oft zitierte Quelle stammt vom arabischen Gesandten Ahmad Ibn Fadlan, der im 10. Jahrhundert auf eine Gruppe von Rus stieß – skandinavischen Händlern und Kriegern, die entlang der Wolga reisten.

Er schrieb:

„Jeder Mann ist vom Nagel bis zum Hals tätowiert, in dunkelgrüner Schrift oder dunkelblauer Farbe. Die Zeichen bilden Bäume, Figuren und Ähnliches.“

Diese Beschreibung wird oft als Beweis dafür herangezogen, dass zumindest ein Teil der Wikinger – insbesondere jene auf Handelsreisen Richtung Osten – tätowiert war. Auch wenn er nicht „Wikinger“ schrieb, sondern „Rus“, gilt es als wahrscheinlich, dass diese Rus aus dem skandinavischen Raum stammten.


Doch es bleiben Fragen:

  • Beschrieb Fadlan tatsächliche Tätowierungen, oder waren es Bemalungen?

  • Waren diese Symbole dauerhaft oder temporär?

  • Welche Farbe nutzten sie – und war das Blau wirklich Indigo oder etwas anderes?


Trotz dieser Unklarheiten bleibt Fadlan ein starkes Indiz – zumal er kein Interesse daran hatte, die Rus zu idealisieren.

Der große blinde Fleck der Archäologie

Ein Hauptproblem in der archäologischen Erforschung von Tattoos ist schlichtweg: Haut überdauert die Jahrhunderte nicht – zumindest nicht unter normalen Bedingungen. Es gibt kaum erhaltene Wikingerhaut. Deshalb finden sich auch keine direkten Beweise für Tattoos in Wikingergräbern.


Das bedeutet allerdings nicht, dass es sie nicht gegeben haben könnte. Viele Körperpraktiken – etwa Haartracht, Kosmetik, Körperbemalung oder eben Tätowierungen – verschwinden spurlos im Grab. Daher sind wir auf indirekte Hinweise angewiesen.

Was sagt die moderne Forschung?

Einige Forscher vertreten die Ansicht, dass Tätowierungen unter Wikingern weit verbreitet gewesen sein könnten – insbesondere unter Kriegern, Händlern und Seherinnen. Begründet wird das mit:


  • Interkulturellen Kontakten zu Kulturen, in denen Tattoos nachweislich verbreitet waren (z. B. Skythen, Pikten, Araber),

  • der stark symbolischen Kultur der Wikinger (Runen, Symbole, Magie),

  • und der Tatsache, dass ähnliche Bräuche in anderen indoeuropäischen Völkern dokumentiert sind.


Andere wiederum warnen vor zu viel Spekulation. Sie mahnen an, dass Popkultur und moderne Fantasie hier schnell historisches Wunschdenken befeuern – ganz gleich, wie plausibel es wirkt.

Die Wikinger-Tattoos von heute – Mythos, Mode, Identität

Ganz gleich, ob die alten Nordmänner sich tatsächlich tätowierten oder nicht: In der heutigen Zeit haben Wikinger-Tattoos einen festen Platz gefunden – sowohl in der Tattoo-Szene als auch in der Popkultur. Serien wie Vikings, Games wie Assassin’s Creed Valhalla oder Metalbands mit Runentattoos haben ein starkes visuelles Erbe hinterlassen.


Heutige Wikinger-Tattoos greifen oft auf folgende Elemente zurück:

  • Runenzeichen (oft als Schutzzeichen oder Initialen),

  • Yggdrasil, Vegvísir und Ægishjálmur,

  • Nordische Tiere und Mythenwesen,

  • Helme, Schwerter, Schiffe, eingebettet in Knotenmuster.


Die Bedeutung dieser Motive hat sich dabei gewandelt – sie stehen heute oft für persönliche Stärke, Verbundenheit mit der Ahnenwelt oder eine spirituelle Identität.

Fazit: Zwischen Tinte und Tradition – Die Wikinger und ihre Zeichen auf der Haut

Ob die Wikinger sich wirklich tätowierten, bleibt historisch umstritten. Doch die Hinweise – allen voran Ibn Fadlans Bericht – deuten darauf hin, dass zumindest einige Gruppen ihre Haut mit Symbolen verzierten. Ob als spiritueller Schutz, Zeichen der Zugehörigkeit oder Ausdruck von Macht – der Gedanke, dass Runen und Muster unter die Haut gingen, passt gut zum Weltbild der Wikinger.


Moderne Wikinger-Tattoos greifen diese Vorstellung auf, verbinden sie mit Mythologie, Identität und Ästhetik. Dabei spiegeln sie weniger die Vergangenheit als vielmehr unsere heutige Sehnsucht nach Verbindung, Herkunft und Stärke.

Vielleicht trugen die Wikinger einst wirklich ihre Geschichte auf der Haut. Sicher aber tragen wir heute ihre Geschichte in unseren Bildern, Zeichen – und unserer Fantasie.

FAQ: Häufige Fragen zu Wikinger-Tattoos

Gab es bei den Wikingern wirklich Tattoos?

Die einzige direkte Quelle ist Ibn Fadlan, der „tätowierte“ Rus beschrieb. Archäologische Beweise fehlen – doch viele Forscher halten Tattoos bei Wikingern für plausibel.

Welche Symbole wären typische Wikinger-Tattoos?

Runen, Yggdrasil (Weltenbaum), Vegvísir (Wegweiser), Ægishjálmur (Schutzhelm), nordische Tiere (Raben, Wölfe, Schlangen) und Knotenmuster zählen heute zu den beliebtesten Motiven.

Wie wurden Tattoos damals gestochen?

Wahrscheinlich mit Nadeln oder geschnitzten Knochenspitzen, die Pigmente aus Ruß oder Pflanzenfarbe unter die Haut brachten – ähnlich wie bei anderen indigenen Kulturen.

Gab es auch Frauen mit Tattoos?

Dazu gibt es keine Quellen. Doch da Seherinnen (Völvur) mit Symbolik und Magie arbeiteten, könnten sie rituell tätowiert gewesen sein.

Sind heutige Wikinger-Tattoos historisch korrekt?

In den meisten Fällen: Nein. Sie sind von Mythologie, Popkultur und moderner Symbolik inspiriert. Das macht sie nicht weniger bedeutungsvoll – nur eben nicht historisch belegt.

Welche Symbole würden deine Geschichte erzählen? Hast du vielleicht selbst ein nordisches Tattoo – oder planst eins? Schreib es mir gern in den Kommentaren.


Und wenn du mehr über nordische Symbole, Runen und Mythen erfahren willst, dann stöbere weiter auf dem Blog – z. B. in meinem Artikel über den Vegvísir, den Valknut oder Runen und ihre Bedeutungen.

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