Ubbe Ragnarsson – Der vergessene Sohn Ragnars Lodbrok
- Michael Praher

- 24. Nov.
- 7 Min. Lesezeit

Inhaltsverzeichnis:
🔸 Die Ursprünge – Sohn eines legendären Vaters
🔸 Die Große Heidnische Armee – Bruderbund der Rache
🔸 Ubbe in den angelsächsischen Quellen
🔸 Ubbe – Krieger, Entdecker und der Traum vom neuen Land
🔸 Spuren im angelsächsischen Raum
🔸 Der Mythos vom Westen – Ubbes Verbindung zu den Entdeckern
🔸 Ubbe als Bindeglied zwischen Altem und Neuem
🔸 Ubbe in der modernen Popkultur
🔸 Fazit
🔸 FAQ
Wenn von den Söhnen des legendären Wikingers Ragnar Lodbrok die Rede ist, fallen meist die Namen Ivar der Knochenlose oder Björn Eisenseite. Doch einer seiner Söhne stand den großen Brüdern weder an Mut noch an Taten nach – Ubbe Ragnarsson. Er war ein Krieger, Entdecker und Stratege, dessen Geschichte zwischen Legende und Wahrheit schwebt. In den nordischen Sagas erscheint er als treuer Bruder, in angelsächsischen Chroniken als furchtloser Anführer, und in der modernen Popkultur als Symbol für die Sehnsucht nach Ehre, Freiheit und einem neuen Leben jenseits der alten Welt. Doch wer war dieser Mann wirklich? Was ist über sein Leben, seine Taten und sein Vermächtnis bekannt?
Die Ursprünge – Sohn eines legendären Vaters
Ubbe Ragnarsson wurde – so berichten die Ragnarssonen Sagas – als einer der vielen Söhne des berühmten Wikingers Ragnar Lodbrok und seiner zweiten Frau Aslaug geboren. Aslaug selbst war Tochter des legendären Helden Sigurd Fafnesbane und der Schildmaid Brynhildr, was Ubbe und seine Brüder zu Nachfahren von Helden machte, die tief in der nordischen Mythologie verwurzelt sind.
Gemeinsam mit seinen Brüdern Ivar dem Knochenlosen, Hvitserk, Sigurd Schlangenauge und Björn Eisenseite wuchs Ubbe in einer Welt auf, die von Ruhm, Rache und göttlichen Zeichen bestimmt war. Die Geschichten ihrer Familie verbanden Realität und Mythos: Ragnar, der König und Krieger, der Drachen besiegte und ferne Länder plünderte; Aslaug, die Seherin, die Visionen über die Zukunft ihrer Söhne hatte.
In dieser Welt lernte Ubbe früh, dass Größe ein Vermächtnis ist, das man sich im Kampf verdienen muss.
Die Große Heidnische Armee – Bruderbund der Rache
Nach dem grausamen Tod Ragnars durch König Ælla von Northumbria im Jahr 865 n. Chr. schworen seine Söhne blutige Rache. Aus Skandinavien segelten sie mit einer gewaltigen Streitmacht nach England – ein Heer, das in den Chroniken als „The Great Heathen Army“ bekannt wurde.
Ubbe wird in den Quellen mehrfach als einer der Anführer dieser Armee genannt. Während Ivar der Knochenlose oft als der Stratege und politische Kopf der Unternehmung dargestellt wird, verkörperte Ubbe den klassischen Krieger: tapfer, loyal und im Nahkampf gefürchtet. Seine Rolle war entscheidend – er führte Truppen, verhandelte mit Gegnern und hielt den Zusammenhalt der Brüder aufrecht, während sich Machtgier und Ehrgeiz innerhalb der Familie zunehmend bemerkbar machten.
Die Anglo-Saxon Chronicle erwähnt Ubbe als aktiven Anführer in den Kämpfen gegen das Königreich Wessex. Historiker vermuten, dass er sich besonders im Südwesten Englands aufhielt – ein Hinweis darauf, dass Ubbe womöglich einer der ersten skandinavischen Kommandanten war, die dort versuchten, dauerhaftes Territorium zu erobern.
Ubbe in den angelsächsischen Quellen
Im Gegensatz zu seinen Brüdern taucht Ubbe in den Chroniken weniger häufig auf, doch die Erwähnungen sind umso prägnanter. Eine der bekanntesten Überlieferungen berichtet von seiner Niederlage bei der Schlacht von Cynwit (vermutlich 878 n. Chr.), wo er gegen die Sachsen unter Odda dem Jüngeren kämpfte.
Die Quellen erzählen, dass Ubbe dort mit etwa 23 Schiffen gelandet sei, doch in einer überraschenden Attacke der Sachsen in seiner befestigten Stellung eingeschlossen wurde. Trotz tapferen Widerstands fiel Ubbe – seine Standarte, ein mystisches Rabenbanner, soll über dem Schlachtfeld geweht haben, bis er selbst fiel.
Für die Angelsachsen war dieser Sieg ein Zeichen göttlicher Fügung – für die Nordmänner der Verlust eines großen Helden.
Ubbe – Krieger, Entdecker und der Traum vom neuen Land
Ein Mann zwischen Krieg und Wandel
Während viele seiner Brüder von unstillbarem Ehrgeiz, Grausamkeit oder göttlichem Sendungsbewusstsein getrieben wurden, wird Ubbe in zahlreichen Überlieferungen als der ausgeglichenste und menschlichste unter den Ragnarssöhnen beschrieben. In den isländischen Sagas gilt er als loyaler Bruder, aber auch als jemand, der das Blutvergießen leid war – ein Krieger, der den Sinn des Kampfes hinterfragte.
Diese Darstellung findet sich auch in modernen Interpretationen wieder, etwa in der TV-Serie Vikings, wo Ubbe als Suchender gezeigt wird – ein Mann, der sich zwischen Glaube, Ehre und Zukunft entscheiden muss. Und tatsächlich scheint es historische Hinweise zu geben, dass Ubbe nicht nur ein Eroberer, sondern auch ein Entdecker und Siedler war.
Spuren im angelsächsischen Raum
Archäologische Funde und schriftliche Zeugnisse deuten darauf hin, dass Ubbe und seine Gefolgsleute Teil jener Gruppen waren, die begannen, dauerhafte skandinavische Siedlungen in England zu errichten. In Regionen wie East Anglia und Somerset finden sich zahlreiche Ortsnamen mit nordischem Ursprung, die mit den Bewegungen der Großen Heidnischen Armee in Verbindung gebracht werden.
Nach dem Tod Ivars scheint Ubbe einer derjenigen gewesen zu sein, die weniger auf Plünderungen, sondern auf Stabilität und Integration setzten. Er war Teil jener Generation von Wikingern, die langsam begannen, sich in der Fremde niederzulassen – der erste Schritt von den mythischen Raubzügen zu den realen Anfängen skandinavischer Herrschaft in England.
Der Mythos vom Westen – Ubbes Verbindung zu den Entdeckern
Einige nordische Überlieferungen, vor allem aus späteren Jahrhunderten, deuten an, dass Ubbe überlebt haben könnte und Teil jener sagenhaften Wellen von Entdeckern war, die westwärts segelten – zunächst zu den Hebriden, dann nach Irland, Island und schließlich nach Vinland. Historisch ist diese Verbindung unsicher, doch sie spiegelt den Geist jener Zeit wider: Die Söhne Ragnars verkörperten nicht nur Zorn und Krieg, sondern auch den Drang nach neuen Welten.
Ubbe, so eine Legende, sei nie mit dem Tod bei Cynwit gefallen, sondern weitergezogen – ein Archetyp des nordischen Wanderers, der das Meer als Schicksal begreift. Ob Mythos oder Wahrheit: Diese Erzählung zeigt, wie Ubbe in der Vorstellung der späteren Nordmänner zum Symbol der Suche nach Frieden und Heimat wurde – ein Gegenentwurf zu seinen unbarmherzigen Brüdern.
Ubbe als Bindeglied zwischen Altem und Neuem
Ubbe verkörpert eine entscheidende Phase in der Geschichte der Wikinger: den Übergang vom Zeitalter der Raubzüge zur Zeit der Eroberung und Integration. Während die frühen Wikinger durch Angst und Schrecken bekannt wurden, repräsentierte Ubbe die Generation, die lernte, mit den neuen Völkern zu leben, zu handeln und sich kulturell anzupassen.
In ihm treffen zwei Welten aufeinander – die heidnische Vorstellung von Ehre und Blut, und die sich langsam ausbreitende christliche Idee von Recht, Ordnung und Gesellschaft. Diese innere Zerrissenheit machte Ubbe zu einer Figur, die weit mehr war als nur ein Krieger: Er war ein Mensch im Wandel einer Epoche, ein Symbol für die Übergangszeit zwischen Mythen und Geschichte.
Das Vermächtnis des Ubbe – Zwischen Geschichte und Legende
Ubbe in den mittelalterlichen Quellen
Die Quellenlage zu Ubbe ist, wie bei vielen Wikingern, ein Gemisch aus Saga, Legende und Chronik. In den englischen Anglo-Saxon Chronicles wird ein Anführer namens Ubba mehrfach erwähnt – insbesondere im Zusammenhang mit der Belagerung von Devon im Jahr 878 n. Chr., wo er der Überlieferung nach fiel. Dieser „Ubba“ gilt in vielen Forschungen als historisches Vorbild des Ubbe Ragnarsson.
Zeitgenössische Quellen beschreiben ihn als mächtigen Heerführer, der das Banner „Raven Banner“ führte – ein mythisches Symbol, das den Sieg versprach, solange es in der Schlacht wehte.Dieses Banner wurde von den Engländern gleichermaßen gefürchtet wie verflucht. Es stand für die dunkle Macht Odins und den unstillbaren Kampfesgeist der Nordmänner.
Andere Texte, vor allem die späteren isländischen Sagas wie die Ragnarssona þáttr, ergänzen das Bild um persönliche Züge:Ubbe erscheint als loyaler Sohn, besonnen, gerecht – ein Mann, der Ehre über Ruhm stellte und versuchte, den Bruderkrieg nach Ragnars Tod zu verhindern.
Legenden und Mythen um Ubbe
Mit der Christianisierung und dem Niedergang der heidnischen Traditionen verschob sich das Bild Ubbes zunehmend in den mythischen Bereich. In skandinavischen Erzählungen wurde er später nicht mehr nur als Krieger, sondern als Wegbereiter einer neuen Ära dargestellt – einer Generation, die den Übergang von mythischer Wildheit zu kultureller Entwicklung verkörperte.
Einige Legenden verknüpfen Ubbe sogar mit Entdeckungsreisen in den Westen – lange vor Leif Eriksson. Diese Erzählungen sind zwar historisch nicht belegbar, doch sie zeigen, wie stark sein Name mit Abenteuer, Weitblick und Erneuerung assoziiert wurde.
In der mündlichen Überlieferung blieb Ubbe als jener Sohn Ragnars präsent, der am wenigsten vom Fluch der Gewalt berührt war – ein Mann, der verstand, dass Größe nicht nur auf dem Schlachtfeld, sondern auch im Aufbau und im Wissen liegt.
Ubbe in der modernen Popkultur
Heute kennen viele Menschen Ubbe vor allem durch die Serie „Vikings“, in der er als reflektierter und sympathischer Charakter dargestellt wird – ein Mann, der das Meer liebt, die Welt erkunden will und zwischen alter Religion und neuer Spiritualität steht. Diese Darstellung greift viele der alten Sagenmotive auf, verbindet sie aber mit einer modernen, fast philosophischen Dimension.
Ubbe in „Vikings“ ist nicht nur ein Krieger, sondern auch ein Suchender nach Sinn, Frieden und Identität – eine Interpretation, die perfekt zum historischen Wandel der Wikingerzeit passt. So wird er zum Sinnbild jener Generation, die erkannte, dass Stärke auch im Loslassen liegen kann.
Historische Bedeutung
Ob als reale Figur oder mythischer Archetyp – Ubbe verkörpert den Übergang zwischen dem alten, kriegerischen Norden und der neuen Welt der Sesshaftigkeit und Vermischung. Er steht für die Fähigkeit der Wikinger, sich anzupassen, zu lernen und sich mit anderen Kulturen zu verbinden – ohne ihre Herkunft zu verleugnen.
In gewisser Weise ist Ubbe ein Symbol des Friedens unter Kriegern, ein Vorreiter jener Nordmänner, die begannen, nicht nur zu erobern, sondern auch zu verstehen.
Fazit – Der Mensch hinter dem Mythos
Ubbe Ragnarsson bleibt eine der faszinierendsten Gestalten der Wikingerzeit. Weniger wild als Ivar, weniger ehrgeizig als Björn, aber in vieler Hinsicht tiefer, menschlicher und weiser. Er verkörpert die Übergangszeit zwischen dem alten Glauben und neuen Welten – eine Figur, die in sich das Beste der nordischen Kultur trägt: Mut, Treue und die Suche nach Wahrheit.
Seine Geschichte erinnert uns daran, dass nicht alle Helden durch Blut und Zorn unsterblich werden – manche durch Verständnis, Weitsicht und Menschlichkeit.
FAQ – Ubbe Ragnarsson
Wer war Ubbe Ragnarsson?
Ubbe war einer der Söhne des legendären Wikingerkönigs Ragnar Lodbrok. Er gilt als Anführer der Großen Heidnischen Armee, die im 9. Jahrhundert England überfiel.
Wie starb Ubbe?
Laut den Anglo-Saxon Chronicles fiel er 878 bei Cynwit in Devon, doch spätere Sagas erzählen, er habe überlebt und sei weiter westwärts gesegelt.
Was unterschied Ubbe von seinen Brüdern?
Im Gegensatz zu Ivar dem Knochenlosen oder Sigurd Schlangenauge wird Ubbe oft als besonnener, loyaler und moralischer Charakter dargestellt.
War Ubbe wirklich ein Entdecker?
Historisch nicht eindeutig belegt – aber spätere Legenden verbinden ihn mit frühen Seefahrten Richtung Westen, möglicherweise ein Vorbild für spätere Entdecker.
Tauche tiefer ein in die faszinierende Welt der Ragnarssöhne!
Lies auch meine Artikel über Björn Eisenseite, Ivar den Knochenlosen und Aslaug, um das ganze Erbe dieser außergewöhnlichen Familie zu verstehen.










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